Spätestens seit René Descartes hält sich der Mensch ja für ein rationales Wesen. Wie, fragt der australische Philosoph Clive Hamilton, kann es dann sein, dass die Erderwärmung ihn so wenig interessiert, obwohl sie eine existenzielle Bedrohung ist? Soeben ist Hamiltons neues Buch erschienen: Defiant Earth, zu deutsch etwa: "Die trotzige Erde". Darin beschäftigt er sich mit dem Anthropozän - also damit, dass ein neues Erdzeitalter angebrochen ist, weil der Mensch längst mächtig genug ist, die Entwicklung des gesamten Planeten maßgeblich zu beeinflussen.

In einem Vorabdruck hat die britische Tageszeitung The Guardian einige Kernideen des Buches wiedergegeben. "Unsere besten Wissenschaftler sagen uns eindringlich, dass sich gerade ein Unglück entfaltet", wundert sich Hamilton. "Im Angesichts dieser Fakten machen wir trotzdem weiter, als wäre nichts." Für viele Menschen scheinen die Tatsachen jedenfalls eine "narkotisierende Wirkung" zu haben - vorneweg Meinungsführer und politische Entscheidungsträger. Und "die größte Tragödie ist die Abwesenheit eines Sinnes für die Tragödie."

"Die Buchläden sind voll mit dicken Wälzern über die Zukunft der Welt, verfasst von den führenden Intellektuellen von links und rechts - in denen aber die ökologische Katastrophe kaum erwähnt wird. Sie schreiben über Chinas Aufstieg, zusammenprallende Zivilisationen und über Maschinen, die die Welt übernehmen - als gäbe es die Klimaforscher überhaupt nicht. Sie machen Prophezeiungen über eine Zukunft, aus der die wesentlichen Fakten getilgt sind. Futurologen, gefangen in einer obsoleten Vergangenheit. Das ist die große Stille." Manche Menschen reagierten auf den Klimawandel, so Hamilton, indem sie die Realität leugnen oder Warnrufe schlechtmachen als Miesepeterei. "Und doch spuken die Erdforscher hinter uns her, sie folgen uns wie heulende Geister - während wir durch unsere Leben hetzen, uns ab und zu irritiert umdrehend, ihnen das Kruzifix des Fortschritts entgegenhaltend."

tst