Nach Extremwetterereignissen wie Überflutungen oder Hitzewellen werden üblicherweise Todesopfer und Verletzte gezählt. Eventuelle psychische Schäden werden dabei meist ausgeblendet – also wie die Psyche der Überlebenden mit dem Existenzverlust oder dem Schock umgeht. Der nordamerikanische Fachverband für Psychologie (American Psychological Association, APA) und die Nichtregierungsorganisation EcoAmerica weisen in ihrem mittlerweile zweiten Report über die psychische Gesundheit in Zeiten des Klimawandels auf diese oft vernachlässigten Leiden hin.
Der Klimawandel könne direkte und indirekte Folgen für das psychische Wohlbefinden haben, heißt es in dem Bericht. "Einige Effekte resultieren direkt aus Naturkatastrophen, die durch den Klimawandel verstärkt werden – etwa Überschwemmungen, Stürmen, Waldbränden oder Hitzewellen. Andere Folgen treten graduell zutage durch zunehmende Temperaturen oder steigende Meeresspiegel, die Menschen zur Migration zwingen."
Nach dem Hurrikan Katrina im Jahr 2005 stiegen die Selbstmordraten
Übliche Reaktionen auf den resultierenden Stress seien Depressionen, Angststörungen, Aggression oder Drogenabhängigkeit. So habe man nach dem verheerenden Hurrikan Katrina 2005 innerhalb kürzester Zeit einen drastischen Anstieg der Zahl der Selbsttötungen verzeichnen können. Betroffen von psychischen Erkrankungen seien beispielsweise auch Bauern, die ihre Äcker verlassen müssen, weil nicht mehr ausreichend Regen fällt. Und für bestimmte Bevölkerungsgruppen seien die Risiken erhöht: etwa für Menschen mit Vorerkrankungen, weniger Gebildete oder Einkommensschwache.
Der Schlüssel zur Bekämpfung psychischer Schädigungen, so die Forscher, sei Vorsorge – und die müsse nicht teuer sein. Vorsorge beginne vor allem damit, die soziale Vernetzung zu stärken: Nachbarn, Bürger, Kollegen müssten näher zusammenrücken, um sich im Falle einer Katastrophe unterstützen zu können. "Die eigene Widerstandsfähigkeit steigt enorm, wenn es ein funktionierendes soziales Umfeld gibt", heißt es in dem Bericht. "Forschern zufolge gibt es einen Zusammenhang zwischen sozialer Unterstützung während und nach einer Naturkatastrophe und geringen Quoten von psychologischer Schäden." Nachhaltigere Lebensstile würden übrigens ganz nebenbei zu einem Mehr an sozialen Kontakten führen: Statt allein im Auto zu sitzen, trifft man zu Fuß oder im Bus wesentlich mehr Mitmenschen. Den öffentlichen Raum zu beleben, könne den Menschen in schwierigen Situationen so nützen – beispielsweise wenn es um erste Hilfe geht.
"Den Klimawandel zu ignorieren, macht die psychischen Folgen schlimmer"
Doch nicht nur gute Nachbarschaft hilft, sondern vor allem der Informationsaustausch, betonen die Studienautoren. Wer mehr miteinander redet, so die Annahme, informiere sich auch besser über Gefahren. "Der Umstand, dass die meisten von uns den Klimawandel ignorieren, macht seine Folgen noch schlimmer, denn wir wissen nicht wirklich, was uns erwartet, und das Ganze bleibt irgendwie unheimlich", erklärt die Psychologin und Studienautorn Susan Clayton in der Washington Post. "Aber wenn wir uns informieren, sind wir besser vorbereitet und behalten die Kontrolle."
Die erste Ausgabe des Berichts erschien 2014 . Während dieser sich noch ausschließlich auf die gesundheitlichen Aspekte konzentrierte, geht der aktualisierte Bericht vor allem auf die Prävention und mögliche Handlungsoptionen ein.
Susanne Götze