Für Klimapolitik und Klimaforschung war 2015 ein bemerkenswertes Jahr: Der UN-Gipfel in Paris war der Höhepunkt jahrelanger Verhandlungen. Der Papst erregte mit seiner Umweltenzyklika weltweites Aufsehen. Und nicht zuletzt reihten sich die Temperaturrekorde nur so aneinander: März, September, Oktober, November und Dezember markierten jeweils neue Höchststände der Erdmitteltemperatur; und auch 2014 war bereits ein Rekordjahr gewesen, was Anfang 2015 nach Vorliegen der Statistik für Schlagzeilen sorgte. Mehr denn je, könnte man meinen, war in einem solchen Jahr der Klimawandel in den Medien.
Doch zwei aktuelle Erhebungen zeigen, dass dem wohl nicht so war, zumindest nicht in der englischsprachigen Medienwelt: Laut einer internationalen Presseauswertung der University of Colorado lag das weltweite Medieninteresse am Pariser Klimagipfel deutlich unter jenem am 2009er Gipfel in Kopenhagen. Und wie die in Washington ansässige medienkritische NGO MediaMatters ermittelte, füllten die großen Fernsehsender der USA 2015 weniger Sendezeit mit Klimathemen als im Jahr zuvor.
Ende 2009 zum UN-Klimagipfel in Kopenhagen lag die Zahl der Medienberichte zum Klimawandel in internationalen Zeitungen deutlich höher als Ende 2015 zum Gipfel von Paris; Quelle: Nacu-Schmidt et al. 2016/ICECaPs UoC
Die Forschergruppe aus Colorado blickte vor allem auf englischsprachige Printmedien: Rückwirkend bis zum Jahr 2004 werteten die Medienforscher der University of Colorado rund 50 Zeitungen aus 25 Ländern und von sechs Kontinenten aus (mit dem Schwerpunkt auf Blättern aus den USA, Großbritannien, Australien und Neuseeland). Die Daten zeigen starke Schwankungen in der Zahl der Medienberichte zu den Themen Klimawandel und Erderwärmung (siehe Grafik oben). Der mit 714 Beiträgen bis heute nicht wieder erreichte Höchststand wurde im Dezember 2009 ermittelt, als in Kopenhagen die mit großen Erwartungen befrachtete (und letztlich gescheiterte) UN-Klimakonferenz stattfand. In den Jahren danach war das Medieninteresse weit niedriger. Im Dezember 2015 (parallel zum Pariser Gipfel) nahm die Zahl der Zeitungsbeiträge wieder stark zu - stieg mit 534 pro Monat allerdings nur auf ein Niveau, wie es 2007 bereits einmal erreicht war (als der Vierte Sachstandsbericht des IPCC weltweites Aufsehen erregte).
Weniger Medienberichte etwa in den USA - aber mehr in Europa
Die Erhebung zeigt allerdings auch, dass die Trends für die verschiedenen Weltregionen deutlich differieren: Besonders stark sank die Zahl der erfassten Medienberichte in Ozeanien (von 263 im Dezember 2009 auf 104 im Dezember 2015) und Afrika (von 71 auf 24). In Nordamerika nahm die Zahl von 132 auf 106 ab. Demgegenüber nahm die Zahl in den ausgewerteten europäischen Zeitungen zu, dort fanden sich im Dezember 2015 fast doppelt so viele Berichte (159) wie im Dezember 2009 (88).
Prof. Max Boykoff von der University of Colorado verweist im Interview mit der Website climatechangenews.org auf mehrere mögliche Erklärung für den Rückgang des Interesses weltweit und in den USA: So seien die Verhandlungen in Kopenhagen sehr kontrovers gewesen, und Konflikte seien für Medien immer interessant. Für ein erhöhtes Interesse in US-Medien habe 2009 auch gesorgt, dass mit Barack Obama gerade ein neuer Präsident angetreten war, der den Klimawandel zu einer Priorität erklärt hatte.
Vier Sender berichten in einem Jahr so lang wie zwei Folgen Tatort
Einen Rückgang des Medieninteresses in den USA ergab auch die Untersuchung von MediaMatters. Demnach füllten die Hauptnachrichtensendungen der Fernsehkanäle ABC, CBS, Fox und NBC im Jahr 2015 rund 146 Sendeminuten mit Klimathemen - im Kopenhagen-Jahr 2009 hingegen waren es 205 Minuten. Zum Vergleich: Der Umfang der Klima-Nachrichten der vier reichweitenstärksten Sender der USA in einem gesamten Jahr hatte den gleichen Umfang wie sechs Ausgaben der Tagesthemen. Wohlgemerkt: Verteilt auf vier Kanäle und ein ganzes Jahr.
Gegenüber dem Kopenhagen-Jahr 2009 hat auch in den großen US-Sendern der Umfang der Klimaberichterstattung nachgelassen, und 2015 lag hier sogar noch unter dem Jahr 2014; Quelle. MediaMatters 2016
Weiterer Befund: Alle vier Privatsender zusammen strahlten weniger Berichte zum Klimawandel aus als der öffentliche Sender PBS allein. Besonders stark war der Rückgang beim Sender ABC, seine "World News Tonight" (immerhin die US-Abendnachrichten mit den zweithöchsten Einschaltquoten) enthielten im ganzen Jahr 2015 nicht eine einzige Nachricht aus der Klimaforschung und interviewten nicht einen einzigen Klimawissenschaftler. Der einzige Sender, bei dem eine Zunahme verzeichnet wurde, war der konservative Kanal Fox - aber dieser Anstieg ging vor allem darauf zurück, dass mehr Kritik an Klimaschutzmaßnahmen gesendet wurde.
"Beim wichtigsten Thema unserer Zeit", kommentierte der Guardian die Untersuchung, "versagen die US-Fernsehnachrichten darin, die Amerikaner angemessen zu informieren."
sg