Unter der sogenannten "Kohlenstoff-Blase" versteht man das Problem, dass in den Bilanzen vieler Rohstoffkonzerne die Reserven beispielsweise an Erdöl- oder -gasvorkommen als große Vermögenswerte stehen, sie aber laut Pariser Klimavertrag gar nicht mehr gefördert (und verbrannt) werden dürfen - das Problem also, dass man viele Rohstoffkonzerne als überbewertet ansehen kann, wenn die Erderwärmung wirklich auf zwei Grad begrenzt werden soll. Und dass es beim Platzen dieser Bewertungsblase zu starken Verwerfungen kommen dürfte.
Um die "Kohlenstoff-Blase" zumindest kurz zu erklären, braucht man - Sie haben es eben selbst gelesen - mindestens einen länglichen Absatz. Über das Problem kann man auch einen ganzen Wikipedia-Eintrag schreiben, ausführliche Zeitungsartikel oder dicke Sachbücher. Der kanadische Rapper Baba Brinkman hingegen bringt es in einem Reim auf den Punkt: "We’re livin’ in a great big carbon bubble / Oil and coal and toil and trouble / The bubble’s getting too big to ignore / When you’re betting on a future you can’t afford.” (zu Deutsch etwa: "Wir leben in einer großen, großen Kohlenstoffblase / Öl und Kohle machen Mühe und Ärger. / Die Blase wird zu groß um sie zu ignorieren / wenn Du auf eine Zukunft wettest, die Du dir nicht leisten kannst.")
Als "hard-core wissensbasierter Hip-Hop für hungrige Geister und aufgeweckte Bürger" bewirbt der kanadische Rapper Baba Brinkman sein neuestes Album "The Rap Guide to Climate Chaos"; Foto: Promo
Der Vers stammt aus einem Song auf Brinkmans neuesten Album "The Rap Guide to Climate Chaos". Als "hard-core wissensbasierter Hip-Hop für hungrige Geister und aufgeweckte Bürger", bewirbt der 38-Jährige seine neueste Kreation. Es erzähle die Geschichte der globalen Erwärmung vom "kleinsten Atom bis zum globalen Energiesystem". In den 24 Songs gehe es darum, "wie es dazu kam und was wir dagegen tun können".
Die Songtexte klingen nicht nur flott, sondern geben auch den Stand der Wissenschaft korrekt wieder. Brinkman hat seine Songs von renommierten Klimaforschern gegenchecken lassen und so den wohl weltweit ersten "peer-reviewten Klima-Rap" auf die Beine gestellt. Dafür arbeitete er mit dem Nasa-Klimaforscher Gavin Schmidt und Michael Mann vom Earth System Science Center der Pennsylvania State University zusammen. Seine Verse von Wissenschaftlern absegnen zu lassen, gehört für den Rapper schon lange dazu. Bevor er über den Klimawandel reimte, hat Brinkman sich in anderen Alben bereits mit Medizin, Artenvielfalt oder Evolutionstheorie befasst. Teilweise verbrachte er während seiner Recherchen längere Zeit an Forschungsinstituten.
Der Wissenschafts-Rapper tourt durch Schulen und Universitäten
Mit seinem Klima-Rap ist er derzeit in den USA auf Tour. Die Shows finden jedoch nicht in herkömmlichen Konzerthallen statt, sondern in Schulen und Universitäten. Lehrer und Professoren laden den Rapper ein, um ihre Schüler und Studenten für Wissenschaft zu begeistern. Offenbar kommen die Texte an - aber natürlich hat es ein Wissenschafts-Hiphopper schwerer als etwa die üblichen "Gangsta-Rapper". Rund 5000 oder 10.000 Klicks verzeichnen seine Songs auf Youtube - das ist sehr gut für einen wissenschaftlichen Vortrag über den Klimawandel, in den Dimensionen der Musikbranche jedoch eher bescheiden.
Dem "Gangsta-Style" mit seinen protzigen Autos und glitzernden Goldkettchen setzt Baba Brinkman mit seiner Musik etwas grundsätzlich anderes entgegen: Nicht Geld und Konsum sind bei ihm cool, sondern Wissenschaft und Aufklärung. Und der Kanadier rappt nicht nur, sondern macht daraus One-Man-Shows, aus denen selbst Wissenschaftler angetan rausgehen. "You want a new definition of 'hard core'? / Check out the intergovernmental climate report!" ("Wollt ihr eine neue Definition von 'hard core'? / Dann seht euch den Weltklimabericht an!")
"Ein Album ebenso informativ wie unterhaltsam"
Auch die Medien äußern sich anerkennend. "Ein Album ebenso informativ wie unterhaltsam", urteilte das US-Magazin Popular Science. Und die New York Times schrieb (über Brinkmans Evolutions-Show): "Der Streber-Rap ["geek rap"], wie Herr Brinkman es nennt, wird zu einer der populärsten und lebendigsten Formen von Wissenschaftskommunikation."
Begonnen hat Brinkman, studierter Literaturwissenschaftler, mit sogenannten "Lit-Hop“, der Vertonung klassischer Literatur - gerappt versteht sich. Aber auch in Sachen Ökologie ist er kein Amateur, sondern mit der Materie groß geworden. Das Unternehmen seines Vaters pflanzte in Kanada eine Billion Bäume, eine Million davon soll Brinkman selbst in die Erde gebracht haben seit er 15 Jahre alt ist. Als er 19 wurde, sei sein großes Vorbild Eminem gewesen, vertraute er der New York Times an. Auch er wollte eine Million Rap-Alben pro Jahr verkaufen. Mit seinem "Geek-Hop" hat er das zwar nicht annähernd geschafft, dafür aber das neue Genre des "Science-Rap" erfunden. Und seine Alben finanziert er weniger durch den Verkauf, sondern dank einer aktiven Fan-Community per Crowdfunding.
Anders als es die trockene Wissenschaft kann, müht sich Brinkman auch um postive Botschaften - denn beim Klimawandel ist ja tatsächlich noch nicht alles verloren. In seinem Song "Options" ("Optionen") zum Beispiel lautet der Refrain: "So get your head noddin’ / We’re solvin’ some problems. / Get your head noddin’ / ‘Cause we still got options." (sinngemäß: "Bring' Deinen Kopf zum Nicken. / Wir lösen ein paar Probleme. / Bring' Deinen Kopf zum Nicken. / Wir haben noch ein paar Möglichkeiten.")
Susanne Götze