Manchmal denkt Brigitte Knopf, sie müsste mit ihren Themen in die Bild – ausgerechnet in das Boulevardblatt, dem so oft Stimmungsmache und Unseriösität vorgeworfen werden. Knopf hingegen: sachlich im Ton, zugewandt in der Haltung, analytisch im Denken, exakt mit Fakten. Sie ist auf der Suche nach Lösungen, nicht nach Krawall; und sie könnte dafür den perfekten Job innehaben: Die 48-jährige ist Generalsekretärin des Mercator Research Institute on Global Commons and Climate Change in Berlin (MCC) dessen Aufgabe es laut Selbstbeschreibung ist, „lösungsorientierte Handlungsoptionen für die Klimapolitik“ zu entwickeln.

Eigentlich kommt Knopf aus der Grundlagenforschung. In ihrer Dissertation beschäftigte sich die Physikerin mit Unsicherheiten in Erdsystemmodellen. Doch während der Arbeit daran sei ihr etwas Entscheidendes klar geworden, sagt sie: „Eigentlich haben wir das Problem des Klimawandels doch voll verstanden. Jetzt müssen wir uns endlich mal mit Lösungen beschäftigen!“

Es ist genau das, was sie heute tut.

Stefan Rahmstorf hingegen, der Leiter der Forschungsabteilung Erdsystemanalyse des Potsdam Instituts für Klimafolgenforschung (PIK), ist sein Leben lang vor allem Grundlagenforscher geblieben. Sein ursprüngliches Fach, die Astrophysik, fand er früh „ein bisschen zu elfenbeinturm-mäßig“. Er wechselte in die Meeresforschung. Zu verstehen, wie der Klimawandel auf die Ozeane wirke, dachte er, bringe der Menschheit mehr praktischen Nutzen.

Man spürt die Leidenschaft, mit der er Klimawissenschaft betreibt – und über deren Ergebnisse schreibt und spricht. Rahmstorf will, dass die Menschen die Ergebnisse der Klimaforschung kennen, und natürlich wünscht er sich, dass die Politik engagierter danach handeln möge. „Ich will, dass die Öffentlichkeit richtig informiert ist“, beschreibt der 61-Jährige seinen wichtigsten Antrieb. Falsches nicht hinzunehmen, die Dinge richtigzustellen, aufzuklären: Das Motiv taucht immer wieder auf, wenn er über seine Art der Wissenschaftskommunikation spricht.

Damals, im Jahr 2001, als Knopf als junge Doktorandin am PIK anfing, da war Rahmstorf bereits Professor. Und ein Vorbild für sie. „Mit seinen Faktenchecks – damals hieß das ja noch nicht so – habe ich gelernt, wie man Falschbehauptungen auf den Punkt widerlegen kann“, erinnert sie sich: „sehr sachlich, sehr klar, und immer entlang der naturwissenschaftlichen Fakten“.

»Mit welchen Rahmenbedingungen gelingt der Übergang in eine fossilfreie Zukunft? Dazu forschen wir seit 2012 in Berlin-Schöneberg. Unser Institutsgebäude ist das alte Maschinenhaus des über 100 Jahre alten Gasometers, einem Monument der alten, fossilen Wirtschaft. Aber um uns herum arbeiten hier immer mehr Start-ups an einer fossilfreien Zukunft, direkt vor unserer Haustür gibt es neuerdings ein Dutzend Ladestationen für Elektroautos. Ich finde, das verdeutlicht ganz gut den Übergang, um den es geht.«
Dr. rer.nat. Brigitte Knopf (Jahrgang 1973) ist promovierte Physikerin und Generalsekretärin des Mercator Research Institute on Global Commons and Climate Change (MCC) in Berlin. Das Foto entstand im Juni 2021 auf dem sogenannten EUREF-Campus in Berlin-Schöneberg; im MCC arbeiten 65 Personen in sieben wissenschaftlichen Arbeitsgruppen und einer Policy Unit; Foto: Dr. Andreas Pohlmann 714

Von außen betrachtet wirken beide oft sehr verschieden: Sie betont zurückhaltend. Er stärker zuspitzend, auch Konfrontationen nicht ausweichend. Wenn man aber Brigitte Knopf und Stefan Rahmstorf bittet, zu beschreiben wie die oder der andere über das Klima kommuniziere, wählen die beiden dieselben Begriffe: sachlich, faktenorientiert, die Dinge zurechtrückend. Beide sagen, sie schätzten das sehr. Aber einen Unterschied beschreiben sie dann doch:

Sie: „Vielleicht ist Stefan mittlerweile ein bisschen deutlicher als früher in seiner Unterstützung von Klimaprotesten wie denen von Fridays for Future. Da halte ich mich bewusst sehr zurück.“

Er: „Man sieht das ja auch bei anderen Kollegen, die schon seit ein paar Jahrzehnten immer sehr sachlich kommunizieren. Irgendwann denkt man, man müsse ein wenig deutlicher sprechen, um gehört zu werden. – Aber vielleicht hat es auch damit zu tun, das ist jetzt Spekulation, dass das MCC regelmäßige Dialoge mit Politikern organisiert. Seit ich nicht mehr im WBGU bin, mache ich keine Politikberatung mehr. Ich muss mich nicht mehr so sehr zurückhalten.“

Sie: „Für uns ist es natürlich sehr wichtig, für alle ansprechbar zu sein.“ Knopf denkt viel darüber nach, wie sich die Dinge in der aktuellen politischen Debatte noch besser zurechtrücken ließen. Am MCC wird intensiv zum CO2-Preis geforscht, zu den verschiedenen Möglichkeiten, ihn politisch auszugestalten, und zu den sozialen Auswirkungen für unterschiedliche Bevölkerungsgruppen. Das Thema betrifft viele Menschen in Deutschland – ganz unabhängig davon, ob sie über Klimapolitik gut Bescheid wissen oder nicht. Daher kommt Knopfs Idee mit der Bild: Sie fragt sich, wie sie mit den wissenschaftlichen Analysen ihres Instituts auch die Menschen außerhalb der Klima-Blase erreichen kann, die Leserschaft von Boulevard-Medien beispielsweise oder ein jüngeres Publikum, das sich ja stark über YouTube oder Instagram informiert.

„Wir müssen weiterdenken als bis zum Handelsblatt, der ZEIT oder dem Spiegel“, betont sie. „Warum erklären wir nur dort, wie man höhere Benzin- und Heizölpreise sozial gerecht ausgleichen könnte? Im Zweifel wissen deren Leserinnen und Leser das doch schon.“

Doch CO2-Preise sind ein heikles Thema. Als die MCC-Generalsekretärin die Bild erwähnt, ist es erst ein paar Tage her, dass die grüne Kanzlerkandidatin Annalena Baerbock im Interview mit Bild-TV sagte, der Benzinpreis müsse um 16 Cent pro Liter steigen. Es ist Ende Mai, der Wahlkampf läuft gerade an, noch knapp vier Monate sind es bis zur Bundestagswahl. Und strenggenommen ist es kaum der Rede wert, was Baerbock da sagt. Denn im Großen und Ganzen ist die Preissteigerung längst beschlossene Sache, die amtierende Bundesregierung hat sie durch den schrittweisen Preisanstieg beim neuen Emissionshandel für Verkehr- und Heizenergie schon ins Gesetzbuch geschrieben. Die Grünen möchten sie lediglich leicht beschleunigen.

 

»Wir müssen weiterdenken als bis zum Handelsblatt,
der ZEIT oder dem Spiegel« Brigitte Knopf

 

Doch als Bild nach dem Interview meldet: „Baerbock will an den Benzinpreis ran“, und auch andere Medien nachziehen (der Nachrichtensender WELT spricht von „Baerbocks Benzinhammer“), springen viele Politiker darauf an. SPD-Kanzlerkandidat Olaf Scholz und CSU-Verkehrsminister Andreas Scheuer lehnen Baerbocks Vorschlag als angeblich unsozial ab, aus der FDP kommen Forderungen nach einer „Benzinpreisbremse“. Es ist der Beginn einer „populistischen, absurden Benzinpreisdebatte“, wie Knopf sie nennt – und des Abstiegs der Grünen in den Umfragen.

Knopf ärgert das. Nicht, weil sie die klimapolitischen Vorschläge der Grünen pushen wollte. So etwas wäre ihr zuwider, ihre öffentlichen Äußerungen hält die Wissenschaftlerin bewusst neutral. Aber Knopf findet: Die Auseinandersetzung muss, wenn sie schon hart geführt wird, wenigstens auf sachlich richtigen Argumenten gründen. Und Knopf kennt die einschlägigen Forschungsergebnisse, denn sie kommen aus ihrem Institut. Sie auch für Laien verständlich zu vermitteln, ist ihr ein Herzensanliegen.

Auf Twitter zerlegt sie deshalb die Veröffentlichungen des MCC zur Klimapolitik regelmäßig in kleine, informative, faktenreiche und dennoch leicht verdauliche Häppchen. Trotzdem sieht sie nun im Bundestagswahlkampf, wie einflussreiche Politikerinnen und Politiker sich zum CO2-Preis äußern, ohne ihn begriffen zu haben, und „wie selbst Top-Journalisten und Journalistinnen im Fernsehen die Kanzlerkandidaten auf eine Art befragen, dass dabei klar wird: Sie haben das Thema selbst nicht richtig verstanden“. So bleibe am Ende bei den Zuschauern nur die 16 Cent Preiserhöhung hängen. Deren Nutzen für das Klima geht verloren.

Manchen Journalisten und Journalistinnen sei etwa nicht klar, dass es schon lange einen europäischen CO2-Preis gebe, der vor allem für den Energiesektor und Industrie gilt – sie brächten ihn mit dem neuen deutschen CO2-Preis durcheinander, der auf Heizöl und Benzin erhoben wird. Oder sie wüssten nicht, wie die Einnahmen aus dem deutschen CO2-Preis schon jetzt für soziale Entlastungen an anderer Stelle eingeplant würden. „Das sind teilweise Details“, sagt Knopf, „das ist mir schon klar.“ Aber in der Steuerpolitik erwarte man von Journalisten und Journalistinnen ja sonst auch, dass sie an den entscheidenden Stellen kundig nachfragen. „Klimapolitik ist die neue Wirtschaftspolitik, da müssen Journalistinnen und Journalisten genauso gut aufgestellt sein.“

Sehr gern würde Knopf den „Top-Journalisten“ vom Kaliber Tina Hassels oder Ingo Zamperonis – oder gleich so manchem Kanzlerkandidaten –die Feinheiten des CO2-Preises selbst nahebringen. Das sei ein Projekt, das noch auf ihrer Agenda steht, sagt sie lachend.

Auf Twitter gehört Knopf zu den sachlichsten Stimmen der Klimadebatte. Die Plattform liege ihr, sagt sie, weil sie es dort selbst in der Hand habe, wann sie schreibe, wie viel und in welcher Form. „Aber es kostet mich richtig viel Zeit. Für einen Thread, beispielsweise zum CO2-Preis, gehen leicht zwei bis drei Stunden drauf.“ Glücklicherweise ist Kommunikation heute der wichtigste Teil ihres Jobs.

 

»Es ist unsere Bringschuld gegenüber der Öffentlichkeit, die Ergebnisse
unserer Arbeit so klar, verständlich, sachlich und neutral wie möglich
zu erläutern. Wissenschaftliche Wahrhaftigkeit muss dabei
immer Vorrang haben vor politischer Opportunität« – Stefan Rahmstorf

 

Knopf folgen auf Twitter gut 10.000 Menschen. Bei Rahmstorf sind es mehr als zehnmal so viele, er hat kürzlich die 100.000er-Marke geknackt. Als Klimakommunikator bekannt wurde Rahmstorf aber vor allem durch seine beiden Blogs. RealClimate gründete er im Jahr 2004 mit acht weiteren Klimawissenschaftlern, die meisten kamen aus den USA. Ihr gemeinsames Ziel war es damals schon, Falschinformationen rund um den Klimawandel aktiv zu begegnen. Die Fachzeitschrift Nature begrüßte die Initiative in einem Editorial, RealClimate wurde schnell populär. 2008 ging dann Rahmstorfs deutschsprachiger Blog KlimaLounge online.

Das Bloggen liege ihm sehr, sagt Rahmstorf. „Man kann genauso schreiben, wie man möchte. Datenkurven zeigen, was ich als Wissenschaftler natürlich immer gerne tue. Man muss sich nicht lange mit Redaktionen darüber auseinandersetzen, ob sie den Artikel wirklich wollen. Oder sich ärgern, weil durch Redigieren fachliche Fehler im Text entstehen.“

Er fühlt sich verpflichtet, die Öffentlichkeit zu informieren, zumal als Forscher, dessen Arbeit sich aus Steuermitteln finanziert. In seinem Blog KlimaLounge nennt er das „die Bringschuld der Klimaforscher“: Klimawissenschaft zu erläutern, „so klar, verständlich, sachlich und neutral wie möglich“.

Mit Emotionen will er dabei nicht arbeiten, auch wenn es heißt, mit ihnen ließen sich die Menschen leichter erreichen als mit purer Sachinformation. Rahmstorf kennt die Debatte. „Ich glaube schon, dass da etwas dran ist“, sagt er. „Aber das ist nicht meine Rolle. Als Wissenschaftler sehe ich meine Aufgabe vielmehr darin, die Fakten so nüchtern und klar wie möglich darzustellen. Etwas anderes könnte ich auch nicht so gut.“

Doch auf andere kann seine Art durchaus unerbittlich wirken. Wenn es ihm darum geht, Dinge klarzustellen, scheut Rahmstorf auch vor direkten Auseinandersetzungen nicht zurück. Und er nennt Namen, selbst wenn ihm das zusätzlichen Ärger einbringt. Er finde das einfach richtig so, sagt er: „Als Wissenschaftler stehen wir ja auch mit unseren Namen für das ein, was wir sagen.“

SpiegelOnline nannte ihn dafür einst „rabiat“ und schrieb, Rahmstorf betreibe einen „Kreuzzug“ gegen Journalisten und Forscher, die sein Verständnis von wissenschaftlich korrekter Berichterstattung nicht teilten. Ein Berliner Politikjournalist vergleicht Rahmstorfs Hartnäckigkeit, durchaus anerkennend, mit der eines Terriers. Ein Wissenschaftsjournalist und Moderator sagt, er bewundere Rahmstorf dafür, dass er sich "aus der Komfortzone heraus" bewege und den "täglichen Kampf gegen Leugner, Bremser und Relativierer" führe, obwohl das "extrem anstrengend und nervenaufreibend" sei. Rahmstorf spreche über die politischen und gesellschaftlichen Folgen von Klimaforschung - und gerade wenn es um die Klimakrise gehe, brauche man noch mehr solcher Wortmeldungen aus der Forschung.

Rahmstorf selbst sagt, er weise nur auf Fehler hin. Es gehe ihm ausschließlich um die Sache. Und die nimmt er eben genau. Heute hat er beim Spiegel eine eigene Kolumne, in der er regelmäßig über die Klimakrise schreibt.

»Von Kind an habe ich das Meer geliebt und wollte Forscher werden, und so wurde ich tatsächlich Meeresforscher – ein erfüllter Traum und zugleich Privileg und Verantwortung. Schon beim Studium in den 1980ern wurde mir klar, wie bedroht die Meere sind, wie stark der Mensch bereits in das Klima eingreift. Was damals noch weitgehend eine auf die Physik gegründete Zukunftsprognose war, ist heute bittere Realität.«
Prof. Dr. Stefan Rahmstorf (Jahrgang 1960) leitet den Bereich Erdsystemanalyse des Potsdam-Instituts für Klimafolgenforschung (PIK). Das Foto entstand im Januar 2017 auf dem PIK-Gelände auf dem Potsdamer Telegrafenberg vor der sogenannten Säkularstation. Das Messfeld liefert seit 1893 ununterbrochen stündliche Wetterdaten – eine weltweit einzigartige Messreihe; Foto: Dr. Andreas Pohlmann 714

Bevor er anfing zu bloggen, rückte Rahmstorf „total übertriebene Medienartikel“ über seine Forschung auf seiner persönlichen Homepage zurecht, das erste Mal schon 1999. Es ging um die Auswirkungen des Klimawandels auf den Nordatlantikstrom, einen Arm des Golfstroms. Manche Medien hätten damals suggeriert, „die nächste Eiszeit steht bevor“, erinnert er sich. Das konnte er nicht unwidersprochen stehen lassen. „Natürlich nicht! Denn die Folge von so etwas ist, dass Leute behaupten, ich hätte diese Sachen selbst gesagt.“ 2005 beklagte er in der Zeit die Überdramatisierung des Klimawandels in manchen Medien. Es ärgert ihn immer noch, wenn so etwas geschieht – und trotzdem wird ausgerechnet ihm bisweilen vorgeworfen, er sei aktivistisch.

Bis heute ist Rahmstorf in erster Linie Forscher. Brigitte Knopf hingegen betreibt die Klimakommunikation mittlerweile als ihre Hauptaufgabe. Sie empfindet das als Privileg. Viele andere, sagt sie, vor allem Forschende am Anfang ihrer Karriere, hätten gar nicht die Zeit, sich Gedanken darüber zu machen, wie sie ihre Erkenntnisse über wissenschaftliche Papiere hinaus auch einem Laien-Publikum vermitteln könnten. Bei ihr sei das anders. „Ich werde nicht mehr an meinen Veröffentlichungen gemessen.“

Stattdessen bringt sie vor allem neues Wissen aus der Forschung in Politik, Wirtschaft und Gesellschaft – und Anregungen von dort zurück. „Ich verstehe die wissenschaftlichen Erkenntnisse, die bei uns erarbeitet werden, und breche sie so herunter, dass ein Ministeriumsbeamter sie versteht, oder Mitarbeitende in einer NGO oder im BDI. Ich treffe mich mit den Menschen aus den Ministerien, den Umweltschutz- und Industrieverbänden, höre zu und trage ihre Fragen und Anmerkungen wieder zurück ans Institut.“ Vor knapp drei Jahren hat Knopf am MCC eine eigene Abteilung eingerichtet, die sogenannte Policy Unit, die den Wissenstransfer künftig noch weiter verbessern soll.

Doch ihre Transferarbeit bringt neue Schwierigkeiten mit sich. Politische Debatten und wissenschaftliche Forschung folgen unterschiedlichen Rhythmen. Die ließen sich nicht immer synchronisieren, sagt Knopf. Zum Beispiel beim CO2-Preis: Die zentralen Ergebnisse zum Thema lägen schon seit Jahren vor. Doch wenn der Benzinpreis von heute auf morgen plötzlich zum heiß diskutierten Thema werde, „dann können sie nicht einfach die alten Sachen unverändert an Journalisten oder Politiker schicken. Man muss das aktualisieren, neu aufbereiten. Und wenn man als Wissenschaftlerin seriös und glaubwürdig bleiben will, dann dauert das seine Zeit.“ Zeit, die man aber in der schnelllebigen aktuellen Debatte selten hat: ein kaum aufzulösendes Dilemma.

Das Thema CO2-Preis sei eben komplex, seufzt Knopf. Es stört sie, dass „so gut wie alle politischen Parteien, auch die Grünen“, sich im Bundestagswahlkampf um klare Aussagen zur Klimapolitik und zum CO2-Preis drücken. „In den verschiedenen Parteiprogrammen sehe ich kaum Unterschiede. Niemand sagt genau, wie die Einnahmen aus dem Preis verteilt werden sollen, wie viel beispielsweise in die Senkung der EEG-Umlage fließen soll, wie viel in klimafreundliche Investitionen, und wie viel in eine Pro-Kopf-Rückzahlung an die Haushalte. Das ist doch absurd.“

Gerne würde sie Armin Laschet, Annalena Baerbock oder Olaf Scholz im Wahlkampf selbst festnageln: Wie genau soll der CO2-Preis gestaltet werden? Wie der soziale Ausgleich? Wie unterscheiden sich die Parteiprogramme? Und: Wie sollen die künftigen Verschärfungen der EU-Klimapolitik in deutsche Politik umgesetzt werden?

Das PIK befindet sich im Wahlkreis Potsdam; hier treten Scholz und Baerbock als Direktkandidaten gegeneinander an. Könnte Stefan Rahmstorf die Kanzlerkandidatin und die beiden Kandidaten interviewen, er stellte grundsätzlichere Fragen: nach der Klimagerechtigkeit. „Ich würde fragen: Was meinen Sie, welches CO2-Budget Deutschland noch zusteht? Dürfen wir weiterhin doppelt so viel Treibhausgase in die Atmosphäre abgeben wie der globale Durchschnitt? Wenn ja, wie begründen Sie das ethisch?“ Darüber müsse man doch offen diskutieren, findet Rahmstorf. Doch damit, dass das tatsächlich geschieht, rechnet er nicht.

Von der Politik ist der Klimaforscher enttäuscht – dennoch sagt er wo immer möglich zu, wenn er von einer Partei eingeladen wird, um über die Erderwärmung zu informieren. Viele Bundestagsabgeordnete wüssten immer noch nicht Bescheid über die Klimakrise, sagt er. „Sie machen ihre Hausaufgaben nicht, obwohl spätestens seit 30 Jahren, seit dem Erdgipfel von Rio 1992, wirklich jedem klar sein muss, dass wir uns in einer Klimakrise befinden, und dass es eine massive Umstrukturierung unseres Wirtschaftens bedeutet, sie abzuwenden. Das bis heute nicht verinnerlicht zu haben, das kann ich wirklich nicht verstehen. Zumal uns mittlerweile die Chance durch die Finger rinnt, die globale Erwärmung noch auf 1,5 Grad zu begrenzen, wie es eigentlich in Paris auch mit deutscher Zustimmung beschlossen wurde“. Umso wichtiger – und für Forschende interessanter – sei es, jetzt nach Lösungen zu suchen. So wie Brigitte Knopf.

In die Bild hat es die MCC-Generalsekretärin mit ihren Infos zum CO2-Preis übrigens noch nicht geschafft. Aber mit YouTube-Auftritten, die sich speziell an ein jüngeres Publikum richten, hat sie schon mal angefangen. Im Kanal der LCOY, einer Online-Klimakonferenz für Jugendliche, diskutiert Knopf im Juni mit der Grünen-Politikerin Ingrid Nestle und dem FDP-Politiker Karl-Heinz Paqué über Emissionshandel und CO2-Steuer. Konzentriert, zugewandt und präzise schildert sie da die Vor- und Nachteile beider Systeme und erklärt, wie ein sozialer Ausgleich machbar sein könnte. In ihrer Schlussbemerkung sagt Knopf, wie weit man in der Debatte doch schon gekommen sei. Im Grundsatz scheine man sich einig zu sein, „von Grünen bis FDP, dass der CO2-Preis eine wichtige Rolle spielen muss“, egal in welcher Form. „Das finde ich auch einen Riesenfortschritt. Und dann gibt es halt unterschiedliche Präferenzen.“

Ob sie persönlich auch eine Präferenz für eine der beiden Lösungen hätte, sagt sie nicht.

Alexandra Endres
Teil 2 unserer Serie über Klimaforschung und öffentliche Kommunikation porträtiert
Hartmut Graßl und Maria-Elena Vorrath, der Teil 3 Friederike Otto und Karsten Schwanke

Transparenzhinweis: Stefan Rahmstorf ist Mitglied im Wissenschaftlichen Beirat von klimafakten.de;
das MCC wird wie klimafakten.de von der Stiftung Mercator finanziell gefördert.