Klimafakten: Frau Professor Jenkins, Tanz ist nicht das Erste, woran man bei Wissenschaftskommunikation denkt. Wie verbinden sich diese beiden Bereiche?

Lekelia Jenkins: Kunst, wie der Tanz, ist symbolisch. Sie lädt dazu ein, Gespräche zu führen wie: Was denkst du, was das bedeutet? Warum, denkst du, hat der Künstler dies gemacht? Ein Diagramm hingegen löst nicht dieselbe Reaktion aus, weil die Leute denken, es habe nur eine einzige Bedeutung. Mit dem Wissenschaftstanz starte ich ein Gespräch über die Wissenschaft, die ich betreibe. Tänze in größerem Rahmen, die ich gemacht habe, handelten von Fischerei und Nachhaltigkeit – aber die Methode kann für jedes wissenschaftliche Thema genutzt werden.

Kommunikator:innen haben oft Schwierigkeiten, etwas zu vermitteln, das Menschen nicht selbst erfahren können. Einmal schlug ich ein Tanzprojekt über Gezeitenenergie vor. Da die Technologie unter Wasser ist, können die sie nicht sehen und wissen nicht, was sie ist, was sie tut, oder wie groß Gezeitenkraftwerke sind. Erklärungen bestehen oft aus Vergleichen, etwa dass die Turbinenschaufeln wie ein Mixer wirken. Das kann negative Assoziationen hervorrufen, wie etwa Schaufeln, die Fische zerhacken würden. Am Ende wurde das Projekt nicht realisiert, aber die ursprüngliche Idee war, den Tanz an den Orten aufzuführen, wo die Gezeitenpilotprojekte stattfinden. Die Tänzer:innen könnten dann einige der angesprochenen Bedenken zum Ausdruck bringen und symbolisieren.

Jenkins Turtle Dance

 

 

 

Szenenbild aus dem "Sea Turtle Science Dance", den Kiki Jenkins 2017 mit einem zehnköpfigen Ensemble aufgeführt hat; das vollständige, fünfminütige Video ist auf YouTube verfügbar

Ein weiterer schöner Aspekt von Wissenschaftskunst ist, dass sie den Menschen hilft, sich länger mit schwierigen Themen zu befassen. Zeigt man jemandem ein Bild eines hungernden Eisbären, kann die Person nur eine begrenzte Zeit hinschauen. Aber wenn man etwas wie gefährdete Meeresschildkröten durch Tanz darstellt, bringt man die Menschen in Bewegung, lässt sie Schwimmen nachahmen und Dinge mit ihrem Körper tun, die sie zum Lachen bringen und sie mit anderen verbinden. Plötzlich können sie sich länger mit einem schwierigen Thema beschäftigen – wir haben die Daten, die diesen Effekt belegen!

Was genau ist also Wissenschaftstanz?

Es gibt normalerweise zwei Lager: Menschen, die Wissenschaftstanz als Vehikel nutzen, um die Wissenschaft voranzubringen, als Instrument der Wissenschaftskommunikation, -bildung oder -beteiligung. Und dann gibt es diejenigen, für die der wissenschaftliche Tanz die Muse ist, die Inspiration für die Kunst an sich. Die Art, wie ich es mache, ist etwas wörtlicher. Es geht darum, was Menschen über Wissenschaft sehen und hören und es mit ihrem Körper neu interpretieren, damit die Ideen hängen bleiben und sie darüber reden und die Erfahrung teilen wollen.

Ich arbeite sowohl in kurzen als auch in langen Formaten. Ein kurzes Format kann auf einer Konferenz stattfinden, 15 Minuten mit 500 Personen im Raum. Die Teilnehmer schlagen Themen vor, zum Beispiel, worüber ihre letzte Veröffentlichung war. Das längere Format, das ich verwende, dauert normalerweise zwei Stunden und ist aufwändiger, mit verschiedenen Rollen, die die Teilnehmer übernehmen können, mit Musik und Kostümen.

 

„Wissenschaftskunst hilft Menschen, sich länger mit schwierigen Themen zu befassen. Lässt man sie beispielsweise gefährdete Meeresschildkröten durch Tanz darstellt, bringt man die Menschen in Bewegung, lässt sie Schwimmen nachahmen und Dinge mit ihrem Körper tun, die sie zum Lachen bringen“

 

Am Anfang lasse ich die Teilnehmer ihr Wissen sammeln und kuratiere es bei Bedarf ein wenig. Wenn ich über gefährdete Meeresschildkröten spreche, erwähnen die Leute manchmal den Film Findet Nemo, in dem Meeresschildkröten vorkommen, die 150 Jahre alt werden. Das baue ich als Teil der Geschichte ein und erkläre den Endangered Species Act, das Artenschutzgesetz der Vereinigten Staaten. Dasselbe kann ich mit Klima tun. Es gibt Schlüsselmomente in der Klimageschichte, etwa als sich Staaten entschieden, zusammenzukommen und den ersten IPCC-Bericht in Auftrag zu geben. Diese Aspekte kann man in einem Wissenschaftstanz verwenden.

Gibt es Klimathemen, die schwieriger oder leichter zu bearbeiten sind? Wie würde man einen Tanz über ein abstrakteres Thema wie CO2-Zertifikate gestalten?

Es gibt immer Themen, die leichter sind als andere. Bei einem kurzen Format wähle ich eher Ideen, die Wörter enthalten, die bewegungsorientiert sind: Nicht zu technisch, beschreibend. Und Ideen, die Formen und Farben hervorrufen. Wenn man sich mit einem Thema wie CO2-Zertifikaten befasst, muss man es erst auseinandernehmen. Was ist Kohlenstoff? Woraus besteht Kohlenstoff? Holzkohle zum Beispiel. Von dort aus bewegt man sich zu einer Form, und der Tanz kann beginnen.

Sie haben erwähnt, dass Sie Daten über die Auswirkungen von Wissenschaftstanz sammeln. Können Sie uns mehr dazu erzählen?

Ich untersuche derzeit die Wissenschaft hinter dem Wissenschaftstanz, und ob er sich wirklich von anderen Formen der Wissenschaftsvermittlung unterscheidet. Hierfür hielten wir einen Vortrag, gefolgt von einer Fragerunde. Eine Hälfte der Gruppe blieb und sprach mit einem Kollegen von mir in Form eines Wissenschaftscafés – während die andere Hälfte einen Wissenschaftstanz aufführte. Danach gab es eine Liste von Adjektiven, aus denen beide Gruppen die drei auswählen konnten, die ihre Erfahrung am besten beschrieben.

Die Antworten beider Gruppen unterschieden sich deutlich. Am auffälligsten war, dass die Tanzgruppe das Gefühl der Zusammengehörigkeit einen ganzen Punkt höher auf einer Fünf-Punkte-Skala bewertete. Weitere Emotionen, die bei der Tanzgruppe höher bewertet wurden, waren Frieden und Hoffnung. Die Leute, die am Tanz teilgenommen hatten, waren zudem stärker besorgt über das Schicksal der Meeresschildkröten – gleichzeitig aber auch hoffnungsvoller.

 

„Noch Jahre später meldeten sich Menschen, mit denen ich gearbeitet hatte, und erzählten zum Beispiel, dass sie eine Dokumentation über Meeresschildkröten gesehen hatten und diese sie an den Tanz erinnert hatte. Das passiert bei nichts anderem, was ich in der Wissenschaft tue!“

 

Die Teilnehmenden des Wissenschaftstanzes konnten auch auf empathischer Ebene besser mit den verschiedenen Perspektiven umgehen, sowohl mit denen der Meeresschildkröten als auch jener der Fischerinnen und Fischer. Sie setzten sich eingehend mit der Komplexität des Themas auseinander. Wenn es um Umwelt- oder Klimafragen geht, ist es leicht, jemanden zum Bösewicht zu machen – aber ich finde es wichtig, dass die Menschen die Grautöne verstehen.

In der Klimakommunikation lag der Fokus oft darauf, mehr Faktenwissen zu schaffen ...

… Moment, das würde ich bestreiten. Jede:r Wissenschaftskommunikator:in weiß, dass es nicht nur darum geht, Dinge zu wissen. Ein Teil des Problems besteht derzeit darin, dass es zu viele Informationen gibt. Wissen ist weniger nützlich als früher, weil es günstig, leicht zugänglich und verfälschbar ist. Wir müssen herausfinden, was der Standpunkt der Menschen ist, aufrichtig sein und neue Wege finden, sie zu einzubinden.

Woher kommt Ihre Leidenschaft und Expertise für Wissenschaft und Tanz?

Ich begann ernsthaft mit dem Tanzen als Studentin, und während meines Studiums tanzte ich und unterrichtete Tanzkurse. Während ich meine Forschung betrieb und schrieb, sah ich einen Tanz in meinem Kopf entstehen. Ein Jahr nach meinem Abschluss organisierte die American Association for the Advancement of Science (AAAS) ihren ersten PhD-Tanzwettbewerb. Wir belegten den zweiten Platz, und das öffnete viele Türen. Aber was mich wirklich überzeugte, waren die Reaktionen, die ich erhielt: Jahre später – fünf, zehn Jahre – meldeten sich die acht Menschen, mit denen ich gearbeitet hatte, und erzählten zum Beispiel, dass sie eine Dokumentation über Meeresschildkröten gesehen hatten und diese sie an den Tanz erinnert hatte.

Das passiert bei nichts anderem, was ich in der Wissenschaft tue! Kein Vortrag, den ich halte, kein Kurs, den ich unterrichte, kein Artikel, den ich schreibe – nichts davon führt dazu, dass mich jemand von sich aus kontaktiert und sagt: „Ich habe an das gedacht, was wir vor zehn Jahren an einem Samstag für zwei Stunden gemacht haben“. Ich denke, Wissenschaftstanz kann Menschen zusammenbringen, um ein Gespräch über Wissenschaft oder den Klimawandel zu führen, die sich auf andere Weise nicht eingebracht hätten.

Interview: Milou Dirkx und Carolin Kyllmann