Was hat der Klimawandel mit den Buschfeuern in Australien zu tun?
In den vergangenen 110 Jahren hat sich die Durchschnittstemperatur in Australien bereits um mehr als 1 °C Grad erhöht. Karl Braganz, Leiter des Amts für Wetterkunde der australischen Regierung, stellte in seinem aktuellen Klima-Jahresbericht klar, dass das Rekordjahr 2019 mit warmen und trockenen Temperaturen einer der Schlüsselfaktoren sei, welche die aktuellen Brandbedingungen in weiten Teilen des Landes beeinflussten. Im Zuge des Klimawandels ist damit zu rechnen, dass Jahre wie 2019 künftig häufiger vorkommen.
Kirsten Thonicke, Expertin für Feuerökologie und für Wälder am Potsdam-Institut für Klimafolgenforschung (PIK) betont, dass extreme Dürre, extreme Temperaturen und extreme Winde in vielen Weltgegenden Zeichen der menschengemachten Erderwärmung seien, wobei sowohl Anzahl als auch Heftigkeit zunähmen. Sie weist darauf hin, dass es 2019 verheerende Feuer in der Arktis, in Alaska und Sibirien gegeben hat - aber zum Beispiel auch in Brandenburg. Gegenwärtig befinde sich die Welt, so warnt die PIK-Forscherin, auf einem Weg zu möglicherweise 4 °C Erwärmung.
Wie außergewöhnlich war 2019 das Wetter in Australien?
2019 kamen zwei Negativrekorde zusammen: außergewöhnlich hohe Temperaturen und ungewöhnlich niedrige Niederschläge.
Hitze: Laut dem Klima-Jahresbericht des Amts für Wetterkunde war 2019 das wärmste Jahr in Australien seit Beginn landesweiter Temperaturaufzeichnungen im Jahr 1910. Die nationale Durchschnittstemperatur lag 2019 um 1,52 °C über dem langjährigen Mittel und überstieg damit den bisherigen Rekord von 1,33 °C aus dem Jahr 2013 deutlich.
Abweichung der Niederschlagsmengen im Zeitraum 2017 bis 2019 vom langjährigen Mittel - blau dargestellt sind ÜBERdurchschnittliche, rot dargestellt sind UNTERdurchschnittliche Regenmengen; Grafik: Australian Bureau of Meteorology
Dürre: In vielen Regionen Australiens herrscht extreme Trockenheit. Der nationale Durchschnittsniederschlag lag mit 277 Millimeter 40 Prozent unter dem langjährigen Mittel und auch weit unter dem bisherigen Tiefstand von 314,5 Millimetern aus dem Jahr 1902. Vor allem in Ostaustralien, also in den Bundesstaaten Queensland, New South Wales und Victoria, wurden die Niederschlagsdefizite größer; dort ist die Dürre besonders stark, und dort richten die aktuellen Buschbrände besonders große Schäden an.
Sind Buschfeuer in Australien ungewöhnlich?
Waldbrände in Australien sind üblich. "Feuer gehört zu Australiens Natur: Eukalyptusbäume treiben nach Waldbränden neu aus, manche Pflanzen blühen erst nach Feuern", erklärt Kirsten Thonicke vom PIK. Derart extreme Feuer aber wie in diesem australischen Sommer sind außergewöhnlich. Betroffen sind beispielsweise auch die Regenwälder in den südöstlich gelegenen Bundesstaaten New South Wales und Victoria, in denen ausgedehnte Waldbrände alles andere als normal sind. Laut Chris Hardman, Leiter des Forest Fire Management Victoria, können sich die Brandbekämpfer nicht länger darauf verlassen, dass - wie früher - einzelne Regenwaldstreifen und vernässte Böden die Feuer an ihrer Ausbreitung hindern.
Wie außergewöhnlich sind die aktuellen Buschbrände?
Kirsten Thonicke sagt, die aktuelle Buschfeuersaison sprenge "alle Rekorde". Aufgrund der Brände seien in den betroffenen Regionen in den vergangenen Wochen mehr Waldflächen verlorengegangen als insgesamt in den vergangenen 14 Jahren. Seit Beginn der großen Buschfeuer im Oktober sollen laut einem Bericht der Nachrichtenagentur Reuters mehr als 10 Mio. Hektar verbrannt sein. Das entspricht zum Beispiel etwa der Fläche von Bayern und Baden-Württemberg zusammen.
Auf einer interaktiven Karte des Guardian kann man sich die verbrannte Fläche als Quadrat auf einer Landkarte anzeigen lassen - an einem Ort eigener Wahl. Stellt man sie zum Beispiel mit Hannover im Mittelpunkt dar, dann erstreckt sich die Fläche (Stand: 13. 01. 2020) in Ost-West-Richtung etwa von Dortmund bis Leipzig und in Nord-Süd-Richtung von Lübeck bis Jena; Grafik: Screenshot/The Guardian
Laut Schätzungen von Ökologen der Universität von Sydney wurden durch die Feuer in diesem australischen Sommer bislang über eine Milliarde Tiere getötet oder verletzt. Zehntausende Nutztiere wurden laut ABC News getötet. Tausende Gebäude wurden zerstört, Dutzende Menschen verloren ihr Leben. PIK-Expertin Thonicke hält die Brände für "beispiellos", und sie hält es für möglich, dass die aktuellen Zahlen aus Südostaustralien noch weiter steigen. Die Wälder würden Jahrzehnte brauchen, um sich davon zu erholen. Dies setze allerdings voraus, dass sie nicht mit weiteren Klimaextremen konfrontiert werden. Falls sie sich nicht erholen, wären sie nicht nur als Lebensraum für unzählige Pflanzen- und Tierarten verloren, sondern auch als Kohlenstoffspeicher - das Ergebnis wäre eine weitere Verstärkung des Klimawandels.
Eine Studie, die die Entwicklung des australischen Feuerwetters zwischen 1973 und 2017 betrachtete, kam zu dem Ergebnis, dass vor allem stark oszillierende Wettermuster über dem Indischen Ozean zu einem extremeren Feuerwetter mit längeren Brandperioden und häufigeren Bränden führen. 2018 und 2019 war dieses Wettermuster, auch als "Indischer-Ozean-Dipol" bekannt, sehr stark ausgeprägt. Als Haupttreiber wird der menschengemachte Klimawandel genannt.
Ein weiterer Aspekt: Sehr große Vegetationsbrände können sich ihr eigenes Wetter "machen" - in den Bundesstaaten New South Wales und Victoria erzeugten sie in den vergangenen Wochen Feuerwolken. Diese entstehen, wenn die Hitze von Feuern 10 Kilometer oder höher in die Atmosphäre aufsteigt und dann Feuchtigkeit kondensiert. In diesen Hitzesäulen können Gewitter entstehen, deren Blitze weitere Brände auch in größerer Entfernung auslösen können. Die Gewitter bringen Windböen mit sich, die das Feuer weiter anfachen können. In einer solchen Situation lassen sich Brände kaum noch löschen. Experten rechnen damit, dass künftig Feuerwolken häufiger entstehen werden. In Spanien und Portugal wurden sie in den vergangenen fünf Jahren dokumentiert, auch einen Fall in Schweden hat es bereits gegeben.
Sind extreme Buschbrände in Zukunft häufiger zu erwarten?
Das australische Amt für Wetterkunde weist in seinen aktuellen Studien darauf hin, dass extreme Hitzewellen in Südostaustralien, die sonst nur alle 500 Jahre vorkommen, heute schon alle 50 Jahre auftreten können. Hitzewellen können Dürren begünstigen, die das Brandrisiko erhöhen. Laut Kirsten Thonicke steigt mit häufigeren extremen Dürren das Risiko für große Buschbrände.
Stephen Pyne von der Arizona State University und Autor des Buchs Burning Bush. A Fire History of Australia sagte dem australischen Nachrichtenportal news.com.au, die Brände seien in den vergangenen Jahrzehnten zerstörerischer geworden, und der Klimawandel wirke hier verstärkend: "Die Brände werden immer wilder und häufiger. Früher kamen sie alle 30 oder 50 Jahre vor, jetzt scheint es so, als würden sie sich jedes Jahrzehnt wiederholen." Er vermutet, dass sich die aktuellen Brände auch über das übliche Ende der Brandsaison im Januar und Februar hinaus fortsetzen werden. Die Wettervorhersagen sähen nämlich nur eine geringe Wahrscheinlichkeit, dass es bis März regnen wird.
Welche Rolle spielen Hitze und Trockenheit bei den Bränden?
Ob neben den steigenden Temperaturen auch die ungewöhnliche Trockenheit in Teilen Australiens mit dem Klimawandel zusammenhängt, ist wissenschaftlich noch nicht geklärt. Doch allein schon die Hitze führt dazu, dass Böden und Vegetation austrocknen, was die Gefahr großflächiger Brände deutlich erhöht. "Mit zunehmender Trockenheit entzündet sich alles leichter, deshalb ist das Brandrisiko höher, je trockener es ist. Hitze allein macht das nicht," erklärt Jens Motsch, Autor des Buches Meteorologie für die Feuerwehr: Die Auswirkungen des Klimawandels auf das Einsatzgeschehen und Leiter des Fachausschusses "Umweltschutz, Einsatz, Technik" beim Landes-Feuerwehrverband des Saarlandes.
Rettungskräfte bei der Bekämpfung der Buschfeuer in Werombi, Südwest-Australien; Quelle: helitak430/wikimedia
Aber auch bei großer Trockenheit entzündet sich Vegetation nicht von selbst. In Australien lösten Zündquellen wie Stromleitungen große Brände wie den "Black Saturday"-Brand von 2009 aus. Daneben können auch Blitzeinschläge Brände verursachen, die offenbar für den größten Teil der gegenwärtigen Feuer verantwortlich waren.
Inwieweit sollten Brandbekämpfungsstrategien geändert werden?
Stephen Pyne hält es für unmöglich, große Vegetationsbrände wie sie derzeit in Australien wüten, vollständig unter Kontrolle zu bekommen. Die Feuerwehr müsse daher ihre Herangehensweise an das Brandmanagement überdenken. Das betreffe aber nicht nur die australische Feuerwehr, sondern Feuerwehren in allen Ländern der Welt.
In australischen Medien wird diskutiert, ob ein konsequenteres vorsorgliches und kontrolliertes Abbrennen von Vegetationsflächen ("Backburning") sinnvoll wäre. Bisweilen wird behauptet, dass die "linken Grünen" dies verhindern wollten - die australische Partei der Grünen stellte jedoch klar, dass sie solche Maßnahmen unterstützt, weil sie das Brandrisiko reduzieren. Feuerwehrleute berichten, dass "Backburning"-Maßnahmen im vergangenen Jahr vor allem aufgrund des Wetters behindert wurden. So gab es 2019 im australischen Winter in einigen Gegenden des Landes extreme Niederschläge. Auch eine solche Verschiebung von Wettermustern wird von Wissenschaftlern dem Klimawandel zugeschrieben. Nach Ansicht von Forschern kann die gegenwärtige Praxis des "Backburning" das Brandrisiko jedoch nicht in dem Maße reduzieren, in dem es durch den Klimawandel steigt.
Bill Gammage, Historiker an der Australian National University, weist darauf hin, dass die bewährten, aber erheblich aufwändigeren, weil präziseren Backburning-Methoden der Aborigines ein genaues Wissen über die örtlichen Bedingungen benötigten.
Welche Rolle spielt Brandstiftung bei den aktuellen Bränden in Australien?
Für einige Buschbrände waren offenbar auch Brandstifter verantwortlich, doch es liegen dazu noch keine genauen Zahlen vor. Gegenüber dem TV-Sender Sky News erklärte ein Sprecher der Feuerwehr in News South Wales, die meisten größeren Brände seien durch Blitze verursacht worden; Brandstiftung spiele eine relativ geringe Rolle. Die Zahl der Brandstifter sei in dieser Saison nicht höher als sonst, erklärte Richie Merzian, Direktor eines Klimaforschungsprogramms des Think Tanks Australia Institute gegenüber "NBC News".
Was besagt die Statistik der australischen Polizei?
Verschiedene Medien haben einen Bericht der Polizei von New South Wales aufgegriffen und berichtet, es seien in der aktuellen Feuersaison bereits 183 Brandstifter dingfest gemacht worden. Doch diese Darstellung ist stark verkürzt. In der Polizeimeldung ist zwar tatsächlich die Rede von 183 Personen - aber im Zusammenhang mit "bushfire-related offences", also Vergehen "im Zusammenhang" mit Buschfeuern. Die Polizei gab an, dass von den 183 Personen lediglich 24 Personen wegen mutmaßlich absichtlich angezündeten Buschfeuers angeklagt würden. Gegen 53 Personen wurden rechtliche Schritte eingeleitet, weil sie mutmaßlich gegen ein Brandverbot verstoßen haben. Gegen 47 Personen wurden rechtliche Schritte eingeleitet, weil sie eine brennende Zigarette oder ein Streichholz weggeworfen haben sollen.
Eine Recherche des Guardian wies darauf hin, dass die Zahl von 183 Personen irreführend gewesen sei, da sie die Statistiken mehrerer Bundesstaaten für das gesamte Jahr 2019 umfasste, also auch den vorangegangenen Sommer. 43 Personen waren im Bundesstaat Victoria bereits VOR der Buschfeuer-Saison festgenommen worden. 101 Personen waren im Bundesstaat Queensland "wegen Feuer im Busch aufgegriffen" worden, wobei es bei den polizeilichen Maßnahmen nicht nur um Verhaftungen, sondern auch um Verwarnungen, Anklagen oder Wiedergutmachungen ging. Lediglich 24 Personen wurden von der NSW-Polizei in der Buschfeuer-Saison festgenommen, weil sie mutmaßlich absichtlich Buschfeuer angezündet hatten.
Wer hat die (irreführenden) Meldungen über Brandstifter verbreitet?
In den sogenannten Sozialen Medien, also Facebook, Twitter & Co., wurde die Behauptung viel geteilt, vor allem Brandstifter - und nicht der Klimawandel - stünden hinter den verheerenden Feuern. Timothy Graham von der Queensland University of Technology untersuchte daraufhin genauer die mit dem Hashtag #arsonemergency auf Twitter veröffentlichten Inhalte. Er untersuchte mit einem Bot-Erkennungs-Tool 1340 Tweets, die von 315 Twitterkonten veröffentlicht wurden. Die Analyse zeigte eine "verdächtig hohen Anzahl von botartigen und trollartigen Konten". Die Wahrscheinlichkeit ist daher hoch, dass es sich um eine gezielte Desinformationskampagne handelt. Die Accounts würden von hyper-parteiischen Ideologen betrieben, die sich nicht wie durchschnittliche Twitter-Nutzer verhielten.
Graham erklärte gegenüber dem Guardian: "Verschwörungstheorien spiegeln ein erhöhtes Misstrauen gegenüber wissenschaftlichem Fachwissen wider, zeigen Skepsis gegenüber den Medien und eine Ablehnung liberaler demokratischer Autorität. ... Meiner vorläufigen Analyse zufolge scheint Australien … auf dem Schlachtfeld angekommen zu sein." Gegenüber der New York Times sagte Graham, dass viele der Bots und Trolle zuvor US-Präsident Donald Trump unterstützt hätten. Es gehe darum, die Brände nicht als "Klimanotfall" ("Climate Emergency"), sondern als "Brandstiftungsnotfall" ("Arson Emergency") darzustellen. Dabei seien nur drei bis fünf Prozent der aktuellen Feuer auf Brandstiftung zurückzuführen.
Welche Rolle spielen australische Medien?
Parallel zum Twitter-Hoch wurde ein Artikel in der Online-Ausgabe der Tageszeitung The Australian zum meistabgerufenen Angebot der Zeitung. Er stellte ähnliche Behauptungen auf wie die Bots und Trolle der augenscheinlichen Desinformationskampagne. The Australian gehört zum Konzern News Corp von Rupert Murdoch, dem größten Medienunternehmen in Australien. Gegenüber der New York Times rechtfertigte sich der Verlag, es sei legitim, über die Rolle von Brandstiftern zu berichten. Eine Angestellte von News Corp hingegen warf dem Konzern in einem Protestschreiben vor, über die nationale Buschfeuerkrise auf "unverantwortliche" und "gefährliche" Weise zu berichten. Indem der Verlag die Rolle der Brandstifter betone, lenke er die Aufmerksamkeit vom Klimawandel ab.
Die Watchdog-Organisation "Media Matters for America (MMFA) stellte in einem Bericht fest, dass die zu Rupert Murdochs Konzern gehörenden Medien die Leugnung des Klimawandels propagieren. Mehrere Kommentatoren von Sky News Australia unterstellten denjenigen, die auf die Rolle des Klimawandels als treibende Kraft hinter den Buschfeuern verwiesen, dass sie eine "Gehirnwäsche" durchlaufen hätten und "einer Sekte" beigetreten wären. Murdoch persönlich erklärte im Dezember hingegen, in seinem Haus gebe es keine Leugner des Klimawandels.
Was ist von Buschfeuer-Karten und -Visualisierungen zu halten?
In mehreren Visualisierungen, die in Online-Netzwerken wie Facebook verbreitet wurden, ist für Betrachter nicht sofort ersichtlich, welche Datenbasis als Grundlage diente. Der Künstler Anthony Hersey beispielsweise fasste für seine viral gegangene Visualisierung der Buschbrände die Ortsdaten von Bränden des Feuerinformationssystems der NASA aus einem Monat zusammen. Er wies auf seinem Instagram-Account darauf hin, dass damit auch Gegenden angezeigt wurden, in denen die Brände mittlerweile bereits erloschen waren - die Visualisierung suggeriert jedoch aktuelle Brände und stellt damit die Katastrophe gravierender dar, als sie momentan ist.
Die BBC hat in einem ausführlichen Beitrag noch weitere Visualisierungen vorgestellt und deren Datenbasis diskutiert.
Betrifft das ganze Thema auch Deutschland und die hiesige Feuerwehr?
Ja, sagt Feuerwehr-Experte Jens Motsch. "Wir haben jetzt schon Vegetationsbrände, aber diese werden sich künftig eher verstärken. Die Niederschläge gehen aus, und deshalb bleibt es eher zu trocken." In Mecklenburg-Vorpommern, Brandenburg und in den Alpenregionen gehört die Vegetationsbrandbekämpfung für die Feuerwehr längst zum Repertoire - es sei aber zu erwarten, dass sich diese klassischen Waldbrandregionen im Zuge des Klimawandels verändern werden. Waldbrände, wie man sie bisher aus der Mittelmeer-Region kennt, würden sich "nach Norden verschieben", so Motsch.
Nahe dem brandenburgischen Treuenbrietzen wüteten im Sommer 2018 verheerende Waldbrände; Foto: Ralf Hirschberger/dpa
In Deutschland gab es in den besonders trockenen Jahren 2018 und 1976 sehr viel mehr Waldbrände als sonst. Das für Wald zuständige Bundesministerium für Ernährung und Landwirtschaft erfasst die Daten der Bundesländer seit den großen Waldbränden in den 70-er Jahren. Sie fließen in die europäischen Statistiken ein. Jens Motsch weist darauf hin, dass Feuerwehrstatistiken die Zahl von Vegetationsbränden vermutlich unterschätzen. Hierzulande fehle ein einheitliches Vegetationsbrandmonitoring, wie es beispielsweise der Schweizerische Feuerwehrverband Swissfire unterhält.
Muss die Feuerwehr auch hierzulande reagieren?
Auf das oben beschriebene "Feuerwetter" muss sich die hiesige Feuerwehr in absehbarer Zeit nicht einstellen. Mit sogenannten Pyrocumuluswolken wie aktuell in Australien ist zum Beispiel in Deutschland selbst bei verheerenden Waldbränden nicht zu rechnen. Motsch: "So viel Biomasse haben wir in Deutschland nicht, die eine entsprechende Energie für ein Hitzetief freisetzen könnten."
Bisher fand die Vegetationsbrandbekämpfung von den Feuerwehren im Rahmen ihres "Alltagsgeschäfts" statt. Das werde sich ändern, so Motsch. "2019 stießen wir beispielsweise in Lübtheen in Mecklenburg-Vorpommern an unsere Grenzen, als auf einer munitionsbelasteten Fläche ein großer Waldbrand entstand." Der Brand zog sich über mehrere Wochen hin und erforderte den Einsatz von Luftunterstützung mit großen Löschbehältern, Bundespolizei und Bergepanzern der Bundeswehr.
Muss die Feuerwehr in Deutschland aufrüsten?
Ja. 2018 wurde die Fachempfehlung "Sicherheit und Taktik im Waldbrandeinsatz" von einem gemeinsamen Arbeitsausschuss des deutschen Feuerwehrverbands und der Arbeitsgemeinschaft für Berufsfeuerwehren modernisiert. 2019 wurde auf Initiative der Innenministerkonferenz eine Arbeitsgruppe gegründet, um eine nationale Waldbrandstrategie zu entwickeln, an der auch Motsch beteiligt ist.
In Deutschland gibt es zum Beispiel - anders als etwa in Frankreich - noch keine bzw. nur sehr wenige, spezielle geländegängige Waldbrandfahrzeuge. Mehr Budget hierfür ist im Moment noch nicht in Sicht. Hierzulande sind Städte und Gemeinden die Träger der Feuerwehren, und sie sind mit der Vorbereitung auf große Waldbrände überfordert. Die Bundesländer können im Rahmen ihrer Katastrophenschutz-Budgets einspringen. "Jetzt geht es darum, Strukturen aufzubauen und Strategien zu entwickeln, darauf kann es dann konkrete Forderungen geben," erklärt Motsch. Wichtig wären etwa die genannten Waldbrandfahrzeuge und eine leichtere Schutzkleidung für die Feuerwehrleute. Auch müssten Geräte zur Waldbrandbekämpfung wie Dunggabeln, Spaten und Feuerpatschen beschafft und ihr Einsatz trainiert werden.
Und was tut sich auf europäischer Ebene?
2018 waren Waldbrandeinheiten aus Norddeutschland in Schweden, um bei der Bekämpfung von Waldbränden zu helfen. Diese Unterstützung kam aufgrund individueller Kontakte zustande, offizielle Wege gab es damals noch nicht. Deshalb hat die Europäische Kommission zu Waldbrandheinheiten kürzlich eine neue Regelung verabschiedet (rescEU), die den Einsatz solcher länderübergreifender Einheiten regeln soll.
Christiane Schulzki-Haddouti