Der Klimawandel ist für viele Menschen ein wichtiges Thema - aber sie meinen, er sei noch ziemlich weit weg, er betreffe vor allem künftige Generationen oder Menschen in Entwicklungsländern oder irgendwelche Eisbären in der Arktis. Doch das das ist falsch, längst sind auch in Deutschland die ersten Folgen des Klimawandels zu spüren. Nicht zuletzt zeigte dies der vergangene Sommer. Aber was bedeutet der Klimawandel ganz konkret, zum Beispiel für einen Teil Niedersachsens? Antworten auf diese Frage gibt ein am Wochenende erschienenes Online-Dossier: Ernteausfälle, häufige Böschungsbrände, austrocknende Gewässer, aufgeplatze Straßen, und und und. Ein Musterbeispiel für gelungenen Klimajournalismus

Foto: Screenshot Kreiszeitung.de

Erstellt hat das Dossier die Mediengruppe Kreiszeitung, ein Verbund von Lokalblättern mit Hauptsitz in Syke, südlich von Bremen. Mit einer Druckauflage von knapp 60.000 gehört sie zu den größten Tageszeitungs-Verlagen in Niedersachsen und ist Teil der bundesweiten Ippen-Gruppe. Das Ergebnis kann sich sehen lassen - vielleicht gerade deshalb, weil in das Dossier viele Einzelartikel eingeflossen, die im Laufe des vergangenen Sommers in den Lokalzeitungen erschienen sind. Die zuständige Redakteurin Katia Backhaus hat sie dann durch solide, wissenschaftliche Hintergrundinformationen ergänzt (und auch direkt zu etlichen Forschungspublikationen verlinkt). 

Was die Ernteausfälle des Dürresommer auch bedeuten: keine Kürbisse fürs Kürbisfest, fehlender Schmuck beim Erntedank-Umzug

Um durchschnittlich 1,5 °C hat sich Niedersachsen seit 1881 bereits erwärmt und damit deutlich stärker als die Erde insgesamt - das ist der abstrakte Fakt. Konkrete Folgen und Geschichten erzählt das Webdossier: Vom Rentner, der sich für den vergnüglichen Lebensabend ein Segelboot gekauft hat, aber im Sommer plötzlich kein Wasser mehr unter dem Kiel. Vom Feuerwehrmann aus Diepholz, den untypisch viele Flächenbränden beschäftigten. Vom Forstwirt aus Oldenburg, der nun neue, hitze- und dürreresistentere Baumarten pflanzen muss.

Meldungen über massive Ernteausfälle fanden sich in den vergangenen Monaten in allen Medien - im Lokaljournalismus bekommen sie ein Gesicht: Da berichtet ein Landwirt aus Bassum, wie ihm die Getreidepflanzen auf dem Feld verdorrt sind. Doch die Folgen reichten viel weiter, wie man in dem Webdossier lesen kann: "Anja Reiners, Juniorchefin beim Erdbeerhof Nüstedt in Bassum, hat schweren Herzens das traditionelle Kürbisfest abgesagt: 'Wir haben gemerkt, dass die Erntemenge viel zu klein ist.' ... Und beim Erntefest in Heiligenfelde im Landkreis Diepholz ersetzten Fußballschuhe, Blumen und Papierdrachen den traditionellen Erntewagen-Schmuck aus Getreide - es war einfach zu wenig davon übrig."

Doch der Klimawandel ist kein unabänderliches Schicksal - auch das thematisiert die Kreiszeitung in ihrem Dossier. Dessen letztes Kapitel stellt Projekte und Personen vor, die vor Ort in Niedersachsen bereits aktiv geworden sind. Und es zitiert Vertreter des Landvolk-Verbandes mit einer denkwürdigen Ansage: "Jedes menschliche Handeln wie Autofahren und Flugreisen beeinflusst das Klima. Auch die Produktion von Nahrungsmitteln. Wir können uns gern überlegen, worauf wir am ehesten verzichten können."

tst