Florian Freistetter, 41, ist Astronom und Wissenschaftsautor. Er hat sieben Bücher veröffentlicht und auf seinem Blog „Astrodicticum Simplex“ seit 2007 mehr als 6000 Beiträge über Klimawandel, Astronomie und viele andere Themen geschrieben. Zusammen mit dem österreichischen Wissenschaftskabarett "Science Busters" tourt er durch Österreich, Deutschland und die Schweiz
Auf Ihrem Blog haben Sie im vergangenen Jahr eine Serie zu Klimawandel-Mythen veröffentlicht – in zehn Teilen nehmen Sie dort gängige Thesen aus der Szene der Klimawandelleugner auseinander. Anders als wir bei klimafakten.de tun Sie dies allerdings auf saloppe Art und Weise – und mit einem Schuss Humor. Wie kam es dazu?
Ich gehöre seit bald drei Jahren zum Ensemble der "Science-Busters", die 2007 vom Physik-Professor Heinz Oberhummer und dem Kabarettisten Martin Puntigam gegründet wurden, um sich an einem neuen Ansatz der Wissensvermittlung zu versuchen. Viele Menschen gehen ja nur ungern in theorie-lastige Vorträge. Deshalb präsentieren wir Wissenschaft im Rahmen eines Kabarett-Programms: Da geht man gern hin und nimmt trotzdem etwas mit. Vergangenes Jahr haben wir dann gemeinsam an einem Buch geschrieben, und ich war für das Kapitel Klimawandel zuständig. Dafür habe ich mich durch viele Studien und IPCC-Berichte gekämpft und hatte danach so viel Material, dass daraus noch zusätzlich die Serie entstand.
Hat es sich bewährt, locker und spaßig über etwas so Ernstes wie Klimawandel und Klimaforschung zu schreiben?
Ich schreibe dieses Blog, um Menschen, die keine Wissenschaftler sind, etwas über den Klimawandel zu erzählen. Ich will nicht mit Fachkollegen reden - denen muss ich die Wissenschaft nicht mehr erklären. Ich will jenen Menschen Wissenschaft nahebringen, die vielleicht noch nicht viel wissen, sich aber dafür interessieren oder beginnen, sich dafür zu interessieren. Deshalb muss man für sie anders schreiben. Ich finde, es spricht überhaupt nichts dagegen, sich auf einen nicht-wissenschaftlichen Tonfall einzulassen: Wissenschaftsvermittlung ist keine Wissenschaft – sie muss anders funktionieren.
Wie genau?
Die Fakten dürfen nicht trocken und nüchtern präsentiert werden. Außerdem muss man die Person hinter dem Text kennen. Ich schreibe mein Blog seit zehn Jahren, und nach meiner Erfahrung ist es sinnvoll, wenn der Leser einen Bezug zur Person hinter dem Beitrag aufbauen kann. Viele Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler trauen sich nicht, sich persönlich einzubringen. Das ist aber wichtig, weil es auch um Feedback geht. Man soll den Leuten nicht irgendwas vorbeten, sondern einen Dialog eingehen. Und ein Dialog findet leichter statt, wenn die Leute das Gefühl haben, dass auf der anderen Seite jemand ist, mit dem sie reden können. Eine trockene Pressemitteilung klingt wie eine Verlautbarung – aber niemand ist motiviert, mit den Verfassern zu reden.
Und achso: Außerdem müssen in den Texten sämtliche Quellen zugänglich sein, damit der Leser die Argumente selbstständig überprüfen kann.
Wissen Sie denn, wer Ihre Texte liest?
Ich habe ein paar Hunderttausend Seitenaufrufe pro Monat. Ich kann natürlich nur von jenen sprechen, von denen ich direktes Feedback bekomme: Das sind viele Leute, die sich allgemein für Wissenschaft interessieren, aber keine Wissenschaftler sind. Manchmal sind es auch fachfremde Wissenschaftler. Viele meiner Leser sind auch junge Leute, die in einige Themen reinschnuppern wollen oder ältere Leute, die nach ihrem Berufsleben anfangen, sich für neue Themen zu interessieren. Deshalb versuche ich die Texte auch so zu schreiben, dass man keine Vorbildung mitbringen muss. Das heißt aber nicht, dass man keine komplizierten Dinge erklären kann – ganz im Gegenteil. Das ist gerade die Herausforderung.
Wie haben die Leser auf die Klimamythen-Serie reagiert?
Der Klimawandel ist kontroverser als andere Themen – auch weil er politische und gesellschaftliche Folgen nach sich zieht und fast jeder eine Meinung dazu hat. Es war deshalb nicht überraschend, dass im Kommentarbereich unter den Beiträgen viel mehr Leute als üblich mitdiskutierten. Das geht mir auch bei anderen umstrittenen Themen so, beispielsweise bei Gentechnik oder der Auseinandersetzung mit astrologischen Thesen. Zum Klimawandel habe ich aber auch viele positive Reaktionen bekommen.
Haben wir es dank Populisten wie Trump, FPÖ oder AfD mit einer Renaissance der Klimawandelleugnisten zu tun? Und hat Sie das zusätzlich motiviert, Ihre Argumente unter die Menschen zu bringen?
Am Anfang meiner Klimamythen-Serie schrieb ich über ein Interview mit dem damaligen FPÖ-Vorsitzenden und jetzigen österreichischen Vize-Kanzler Heinz-Christian Strache. Darin vertritt er einfach haarsträubende Thesen zum Klimawandel – aber Leute wie Herr Strache können ihren Unsinn in den Medien verbreiten, weil kaum ein Journalist sich bemüßigt fühlt, nachzuhaken oder zu widersprechen. Dagegen muss man etwas unternehmen.
Glauben Sie, dass man mit Aufklärung wirklich etwas gegen Populisten erreicht?
Das kommt darauf an, wie man Aufklärung versteht. Es bringt absolut nichts, mit Leuten wie der AfD-Vizefraktionschefin Beatrix von Storch oder Herrn Strache zu reden. Argumente nützen bei ihnen gar nichts. Das gilt aber nicht nur für den Klimawandel. Auch bei überzeugten Homöopathen oder Astrologen werden wissenschaftliche Argumente nichts ausrichten. Denn wenn diese Menschen durch rationale Argumente erreichbar wären, dann würden sie ja den irrationalen Unsinn gar nicht glauben.
Was empfehlen Sie dann?
Es ist viel sinnvoller, möglichst viel Wissen in die Welt zu bringen. Je mehr Menschen über echtes Wissen verfügen, desto besser sind sie gegen populistische "Fake News" gewappnet. Dabei geht es auch darum, die Faszination für Wissenschaft zu vermitteln. Wenn Menschen verstehen und Wissenschaft wirklich erleben, fallen sie nicht auf so schnell auf die vermeintlich einfachen Erklärungen von Pseudo-Experten herein.
Mir geht es darum, viel Wissen möglichst niedrigschwellig anzubieten. Das ist auch das Motto der "Science-Busters" und ursprünglich ein Zitat von Marie Ebner von Eschenbach: "Wer nichts weiß, muss glauben." Je mehr Wissen also in der Welt ist, desto weniger müssen Menschen glauben.
Das Interview führte Susanne Götze
Foto: Simon Kumm/Susanne Schlie (CC-BY-SA 3.0)