Die üblichen Förderprogramme und Kampagnen zum Thema Energiesparen erreichen Migranten bisher kaum - dieser Befund stand am Anfang eines Projekts von Wissenschaftlern um Marcel Hunecke, Psychologieprofessor an der Fachhochschule Dortmund. Jedoch machen Menschen mit Migrationshintergrund gut 20 Prozent der Gesamtbevölkerung in Deutschland aus, und gut ein Drittel von ihnen lebt in eigenen Immobilien. Wenn es um Klimaschutz zum Beispiel im Gebäudesektor geht, sind Migranten daher in vielen Kommunen eine wichtige Zielgruppe.
Über einen Zeitraum von zwei Jahren erforschte deshalb das Projekt AMeG (Aktivierung von MigrantInnen zur energetischen Gebäudemodernisierung), wie Menschen mit Migrationshintergrund besser erreicht werden können. Ziel war es, sowohl Eigentümer als auch Mieter über Energieeffizienz zu informieren und sie für Beratungen sowie kommunale Förderprogramme zu interessieren. Dabei ging es sowohl um ganz grundlegende Informationen, also die Vorteile von LED-Lampen gegenüber konventionellen Glühbirnen, als auch um weitergehende Maßnahmen, etwa die Wärmedämmung von Gebäuden. Dafür probierten die Wissenschaftler in drei Dortmunder Stadteilen verschiedene Methoden der Ansprache aus.
Für ihr Projekt bildeten die Forscher zwei Untergruppen: türkischstämmige Migranten sowie alle anderen Nationen (in dieser Gruppe war in Dortmund eine vergleichsweise hohe Zahl von Menschen mit afrikanischem Hintergrund). Beide Zielgruppen wurden dann noch einmal in Eigentümer und Mieter unterteilt. Für jede Sub-Gruppe wurden Workshops angeboten, die dann auf verschiedene Weise beworben wurden. Die Workshops fanden in deutscher Sprache mit Übersetzungen ins Türkische, Englische, Französische und Arabische statt.
Gegenüber Behörden haben viele Migranten eine ausgeprägte Skepsis
Ein scheinbar naheliegender und für Kommunalverwaltungen gewohnter Weg weckte dabei wenig Interesse: Die in allen drei Stadtteilen etablierten Netzwerke des Quartiersmanagements bewegten nur sehr wenige Migranten dazu, die Informationsveranstaltungen aufzusuchen. Zu manchen Veranstaltungen kam nicht ein einziger Besucher. Alternativ versuchten die Forscher eine Ansprache über spezielle Organisationen, Treffpunkte und Vereine von Migranten. "Gut funktioniert hat es über Moscheevereine", berichtet Marcel Hunecke.
Als besonders wertvoll stellten sich die Kontakte heraus, die türkischstämmige Mitarbeiter des Zentrums für Türkeistudien (ZfTi) der FH Dortmund und des Bauordnungsamtes Dortmund in ihre eigene Community hatten. Auch bei der Anbahnung von Kontakten in afrikanische Migrantenorganisationen waren solche Vertrauenspersonen ein entscheidender Türöffner. Dieses Ergebnis deckt sich mit Befunden der Klimakommunikationsforschung, dass die Überbringer von Botschaften dann besonders erfolgreich sind, wenn sie aus denselben Gruppen kommen wie die Zielpersonen. Gegenüber Behörden jedenfalls, schreiben die Forscher in ihrem Abschlussbericht, hätten Migranten der ersten und zweiten Generation häufig eine ausgeprägte Skepsis.
Den Nutzen in Heller und Pfennig ausdrücken
Aus diesen Erfahrungen, Befragungen von 175 Workshopteilnehmern, Interviews mit Experten aus Migrantenorganisationen sowie Beobachtungen des ZfTi und der Stadt Dortmund schöpften die Forscher schließlich 24 Handlungsempfehlungen: Gut laufen die Veranstaltungen zum Beispiel, wenn in die Räume von Migrantenorganisationen eingeladen wird. Kommuniziert man über Schlüsselpersonen, ist eine aufwändige Bewerbung durch Flyer und Poster verzichtbar. Bei Veranstaltungen für Mieter kann es sich lohnen, sie speziell auf Frauen auszurichten, weil diese in traditionellen Gemeinschaften oft für den Haushalt zuständig sind. Bei Migranten mit niedrigem Einkommen muss der Nutzen direkt erkennbar sein, indem Einsparpotenziale direkt in Geldeinheiten und nicht in CO2 berechnet werden.
Die Bilanz von Marcel Hunecke zum Projekt fällt durchwachsen aus: "Ich würde mich hüten zu sagen, dass es eine hochwirksame Maßnahme war. Aber wir haben viel gelernt."
Einige Ergebnisse seiner Forschungen zum Thema Migranten und Klimaschutz hat Hunecke zusammen mit Ahmet Toprak in einem Buch über das dreijährige Forschungsprojekt EMIGMA zusammengefasst. Ein Leitfaden zum "Empowerment von MigrantInnen und Geringverdienenden zum Umwelt- und Klimaschutz" steht auf der Website der FH Dortmund zur Verfügung. Das Projekt AMeG wurde von der Stiftung Mercator gefördert, die auch klimafakten.de unterstützt.
Susanne Ehlerding