Schon in wenigen Jahren werde die Arktis im Sommer praktisch eisfrei sein - mit dieser Warnung sorgte der britische Polarforscher und Cambridge-Professor Peter Wadhams kürzlich für Schlagzeilen, etwa im Independent oder in der Times of India. Viele andere Wissenschaftler, widersprachen umgehend - doch sie erhielten viel weniger Aufmerksamkeit. Es war nicht das erste Mal, dass Wadhams dramatische Prognosen abgab. 2012 zum Beispiel sprach er von einem "Kollaps" der arktischen Eisdecke bis 2015/16. Doch die Schmelzbilanz dieses Sommers, vor ein paar Tagen vorgelegt vom US-amerikanischen National Snow and Ice Data Center (NSIDC), zeigte zwar einen Rückgang deutlich unter den langjährigen Durchschnitt - aber die Lage ist weniger drastisch als beim letzten Minusrekord 2012 und offensichtlich noch deutlich entfernt von einem "Kollaps". Nun spricht Wadhams (im Guardian) von "nächstem oder übernächstem Jahr" ...
Vorhersagen wie die von Wadhams seien oft nicht nur falsch, sondern schadeten auch dem Ansehen der Klimaforschung, schreibt der britische Klimawissenschaftler Ed Hawkins in einem Meinungsbeitrag für das Online-Magazin Climate Home. Wadhams Prognose liege weit unter den Zahlen des Sea Ice Prediction Network, das Schätzungen von 40 Experten ausgewertet hat - er unternehme also einen Alleingang. Zudem habe er die Methodik seiner Schätzungen nicht offengelegt, moniert Hawkins. Ähnliche Kritik hatte es vor einigen Monaten beispielsweise am prominenten Klimaforscher James Hansen gegeben, der mit einem Autorenteam einen Meeresspiegelanstieg von mehreren Metern noch für dieses Jahrhundert prognostiziert und damit die Zahlen des Weltklimarates IPPC weit in den Schatten gestellt hatte. Etliche andere Wissenschaftler wiesen die Arbeit als alarmistisch zurück.
Zwar sei es wichtig für den Fortschritt der Forschung, dass Wissenschaftler Voraussagen treffen, argumentiert Hawkins - so könne man testen, wie gut man die Mechanismen des Klimasystems wirklich versteht. Allerdings müsse die Methodik gut dokumentiert sein und offengelegt werden. Und "wenn sich Prognosen als falsch herausstellen, muss das offen eingeräumt werden, die Gründe dafür verstanden und die Prognose nochmals ausgewertet werden." Alles andere sei schlechter Dienst an der Öffentlichkeit.
sg