Nehmen wir einmal an, Sie wollen in Ihrer Firma etwas fürs Klima tun. Dann kann Ihnen dieser Artikel einige gute Ratschläge geben, wo Sie anfangen und wie Sie dann vorgehen. Der Text verdichtet die Erkenntnisse aus der breiten Recherche zu Veränderungen in der Arbeitswelt durch den Klimawandel, die unter dem Titel  Überschrift #BetriebsKlima im Laufe der vergangenen Wochen erschienen sind. Und er greift zugleich auf eine ganze Reihe von Erkenntnissen aus Wissenschaft und Praxis zurück, welche Hebel vielversprechend sind – aber noch zu selten umgelegt werden.

Für Ihre Initiative ist es zunächst ganz egal, ob Sie Arbeitgeber, Führungskraft oder Arbeitnehmer sind. Sicher, der Einfluss, den Sie selbst dank Ihrer Position ausüben können, unterscheidet sich. Aber „etwas fürs Klima“ tun Sie sowieso nicht allein: Am besten suchen Sie sich Gesprächspartnerinnen und Co-Planer, Gegenseitig-Ansporner und Gemeinsam-Freuer, Engagierte, die auch dann noch Energie haben, wenn Ihre eigene Batterie gerade leer ist, Menschen, die bei Hindernissen um die Ecke und „out of the box“ denken, und die sich genauso wenig dauerhaft frustrieren lassen wie Sie selbst. Und Mitstreiter, die in ihrer jeweiligen Gruppe andere erreichen, möglichst sogar begeistern. Stellen Sie sich darauf ein, schon bei ersten Erfolgen stolz sein zu dürfen und daraus weitere Motivation zu schöpfen, um auch mit unausweichlichen Herausforderungen fertigzuwerden.

Die Formulierung „Etwas fürs Klima tun“ ist dabei als Arbeitstitel okay. Doch je schneller Sie erkennen, dass Sie damit eigentlich „etwas für die Menschen“ tun, desto besser. Denn egal, ob Sie nun die Emissionen Ihrer Firma verringern, um einen Beitrag zur angestrebten Klimaneutralität (laut Gesetz für 2045 geplant) zu leisten. Oder ob Sie die Prozesse und Abläufe des Unternehmens auf Schwachstellen durchleuchten, die bei Extremwetterereignissen zur Gefahr werden – Sie tun das nicht in erster Linie „fürs Klima“, sondern für sich und Ihre Kolleginnen und Kollegen und viele andere, ob die nun in der Hierarchie über, neben oder unter Ihnen stehen.

Dieser Text wird eine Reihenfolge möglicher Schritte definieren. Diese Reihenfolge sollten Sie unbedingt an die eigenen Bedürfnisse anpassen, zumal es zwischen vielen der Schritte Querverbindungen und Verflechtungen gibt. Aber dieser Text muss ja irgendwie Wörter, Sätze und Absätze in einer festen Sequenz hintereinanderstellen. Wenn Sie ihn auf Papier oder auf einem Bildschirm lesen, denken Sie sich gern bunte Pfeile, die in der dritten Dimension von einem Abschnitt zu einem anderen zeigen, um Zusatzinformationen zu liefern oder Voraussetzungen und Folgerungen zu verknüpfen.

Das mit den bunten Pfeilen können Sie gleich mal üben, denn der erste Schritt definiert sich nicht aus einer rationalen Überlegung zur optimalen Projektlogik heraus (dann müsste man vermutlich mit Schritt 3 anfangen). Sondern eher aus der Erkenntnis, dass Emotionen bei der Veränderung, die Sie anstoßen, eine große Rolle spielen.

Bereit?

Also dann los.

10 Schritte zur Klimakommunikation und Klimaschutz im Betrieb

Schritt 1: Fangen Sie irgendwo an.

Grübeln Sie nicht zu lang, welches der optimale erste Schritt wäre, sondern suchen Sie sich etwas Einfaches, Naheliegendes, etwas das Spaß macht und einen schnellen Erfolg verspricht. Das bedeutet auch, Ideen, die viel Widerstand auslösen könnten, erst einmal zurückzustellen.

Wenn Sie Ihr erstes kleines Projekt geschafft haben, dann feiern Sie diesen Erfolg, loben Sie sich selbst und alle Mitstreiter, schlagen Sie die große Trommel und generieren Sie so eine Bugwelle und genügend Schwung, um weiterzumachen.

Wiederholen Sie Schritt 1, so oft Sie möchten, um Schwung zu sammeln. Und kehren Sie hierher zurück, wenn es bei den weiteren Schritten knirschen sollte, um neue Motivation zu tanken.

Schritt 2: Denken Sie über sogenannte Co-Benefits nach.

Das sind erwünschte, positive Nebenwirkungen, die auftreten, wenn ein Projekt nicht nur die geplante Veränderung in Sachen Klima erzielt, sondern weitere Vorteile in einem ganz anderen Bereich bringt. Oft liegen solche Co-Benefits darin, dass sich die Gesundheit verbessert. Das Angebot an die Belegschaft etwa, Jobräder zu nutzen, deren Akkus bei der Firma aufzuladen und auch Wartung und Reparaturen hier erledigen zu lassen, kann den Treibhausgasausstoß auf dem Arbeitsweg deutlich senken. Aber viel mehr noch: Die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter tun auch etwas für ihre eigene Gesundheit, wenn sie das Fahrrad zur Arbeit nehmen (hier startet übrigens ein bunter Pfeil zu Schritt 10, oder er kommt hier an, je nachdem).

Solche Co-Benefits können aber auch quasi nebenbei geschäftliche Vorteile bringen, wenn zum Beispiel Photovoltaik auf dem Dach die Stromrechnung drückt, oder wenn beim Diversifizieren der Lieferketten ein regionaler Zulieferer zum Zuge kommt, der viel geringere Transport-Emissionen verursacht.

Zum Nachdenken gehört übrigens auch, mal die Perspektive zu wechseln. Überlegen Sie doch, welche Maßnahme im Spektrum geschäftlicher Entscheidungen neben ihrem erwünschten Nutzen auch noch etwas für das Klima tut (bunter Pfeil zu Schritt 8).

Schritt 3: Analysieren Sie, wo Sie stehen.

Und zwar gleich so, dass Sie den Prozess regelmäßig wiederholen können, damit Fortschritt messbar wird. Diese Bestandsaufnahme ist EU-rechtlich ohnehin schon vorgeschrieben oder wird es bald sein. Das könnte darum unter den Verdacht der übermäßigen Bürokratisierung fallen, aber man kann die Analyse auch inhaltlich gut begründen.

Wenn die ersten beiden Schritte dieses Textes übertragen auf die Unternehmenslogik so etwas wie die Suche nach Innovation und attraktiven Produkten waren, dann geht es hier jetzt um Buchhaltung und Controlling. Eine Firma, die mit einem erfolgreichen Fabrikat Geld verliert, muss doch auch herausfinden, wo die Kostentreiber sind und wie es das Produkt auf Dauer profitabel herstellen kann. Daher kann man die vorgeschriebene Analyse auch gut für die eigene Absicht nutzen, „etwas fürs Klima“ zu tun – und das Ergebnis zum Identifizieren lohnender Ziele nutzen. Ein Co-Benefit sozusagen, und er hat zwei Ebenen.

Die erste Ebene der Bestandsaufnahme betrifft den Arbeitsschutz. Arbeitgeber müssen für alle Jobs in ihren Unternehmen Gefährdungsbeurteilungen erstellen und Gegenmaßnahmen auflisten. Wie verhindere ich, dass der Mitarbeiter an der Kreissäge einen Finger verliert, die Laborangestellte giftige Dämpfe einatmet, der Bürobote einen Rückenschaden erleidet? Dafür gibt es zum Beispiel bei den Berufsgenossenschaften Ratgeber und Formulare. Fachkräfte für Arbeitssicherheit und Betriebsärzt:innen beraten die Arbeitgeber.

Diese Gefährdungsbeurteilung sollte proaktiv um mögliche Risiken erweitert werden, die durch den Klimawandel auftreten: Das können Extremereignisse wie Hitzewellen sein, die oft mit hoher UV-Strahlung einhergehen, Wind, Starkregen, Überschwemmungen, Dürre, Trockenheit. Aber auch Gefahren, die Mitarbeitern im Betrieb wie in der Freizeit gleichermaßen begegnen: längere Allergie-Saisonen mit aggressiveren Pollen, Infektionskrankheiten, die von vermehrt auftretenden Insekten übertragen werden, oder psychische Belastungen, die sich einstellen, weil der Klimawandel persönliche Kraft- oder Erholungsorte schädigt oder man angesichts der Erderhitzung und der mangelnden politischen Reaktion depressiv wird und ängstlich in die Zukunft blickt.

Diese lange Liste zeigt schon: Nicht für all das kann der Arbeitgeber überhaupt Abhilfe schaffen, nicht für all das ist er verantwortlich. Zum Teil ist es auch eine Lücke in den Bestimmungen: „Derzeitige Gesetze, Vorschriften und Regelungen des Arbeitsschutzes beziehen die Auswirkungen der Klimakrise nur unzureichend ein“, stellt ein Gutachten der Betriebskrankenkassen von 2023 fest. Der Hebel jedenfalls, über die Betriebe die 46 Millionen Erwerbstätigen in Deutschland zu erreichen, ist sehr groß.

Doch auch wenn nicht jedes Ergebnis zu einem Eintrag in die Arbeitsschutzformulare führt, ist es doch wichtig, die weiteren Gefahren einmal im Betrieb anzusprechen. Und zwar nicht nur auf der Basis dessen, was Mitarbeiter in der Vergangenheit erlebt haben und in der Gegenwart erleben, also auf der Basis konkreter Erfahrungen, sondern auch mit Blick auf die Veränderungen in der Zukunft, also auf die Erwartungen. Vielleicht kann die Firma ja doch etwas tun, um die Belastung zu verringern, und wenn es nur eine Veränderung der Arbeitszeiten ist. Der gesetzliche Arbeitsschutz wird dann durch die Fürsorge für die Mitarbeiter ergänzt (hier startet ein bunter Pfeil zum Punkt 5).

Werbetafel zu Gründächern der Berliner Wasserbetriebe

Welche Risiken der Klimawandel für den Betrieb bringt und wie man sie mindern kann, sollte Teil einer gründlichen Status-quo-Analyse sein; Foto: Carel Mohn

Die zweite Ebene der Analyse trägt den Titel CSRD: Hinter dem Akronym verbirgt sich eine Vorschrift der EU. Die Corporate Sustainability Reporting Directive von 2023 verpflichtet ab 2025 immer mehr Firmen, zusammen mit den Jahresabschlüssen Berichte vorzulegen, wie ihre Geschäftstätigkeit mit Blick auf Anforderungen zur Nachhaltigkeit zu bewerten ist. Diese Berichte sollen eine feste Struktur einhalten und zunehmend quantitative Daten enthalten; sie müssen zudem von externen Prüfern abgenommen werden. Sie enthalten dann zum Beispiel Zahlen zum CO2-Fußabdruck. Anfangs betrifft es im Wesentlichen Unternehmen mit mehr als 250 Beschäftigten, aber auch schon kleinere Firmen sind betroffen, weil sie den größeren Zahlen zuliefern müssen (weitere Einzelheiten enthält ein Kasten im Teil 2 unserer Serie).

Das alles klingt zunächst wie eine gigantische bürokratische Zusatzarbeit. Aber der Co-Benefit ist: Aus der Bestandsaufnahme lässt sich ablesen, wo Sie besonders effektiv „etwas fürs Klima“ tun können. Die Analyse hat nämlich zwei Richtungen: Sie betrachtet einerseits den eigenen Klima-Fußabdruck, also die Folgen der eigenen Produktion, des Handels oder der Dienstleistungen für Menschen und Umwelt. Andererseits gibt das Ergebnis Auskunft darüber, wie Klimawandelfolgen und Klimapolitik auf das Unternehmen zurückwirken, welche Risiken für Geschäftsmodell und Arbeitsabläufe bestehen könnten. Das Ganze nennt sich „doppelte Wesentlichkeitsanalyse“. Und dieser zweite Anteil überschneidet sich sehr stark mit der erweiterten Betrachtung des Arbeitsschutzes.

Schritt 4: Suchen Sie nach Vorbildern und vernetzen Sie sich, auch intern.

Gerade die Bestandsaufnahmen in Schritt 3 können viele Fragezeichen vor dem inneren Auge auftauchen lassen. Es gibt aber Beratung bei Unternehmens-Verbänden, bei Initiativen und Gewerkschaften, die viele Kenntnisse und Hilfsmittel weitergeben. Oft werden auch Listen von Good-Practice-Beispielen geführt und Gesprächsrunden angeboten. Viele Unternehmen – in der gleichen Branche wie in benachbarten – stehen vor sehr ähnlichen Herausforderungen; gegenseitiger Austausch kann da weiterhelfen, ohne eigene Geschäftsgeheimnisse preiszugeben. Und wenn größere Unternehmen von kleineren Zulieferern Zahlen für ihre CSRD-Berichte fordern, kann man ja im Gegenzug auch einige Fragen zu deren Erfahrungen stellen. Die Erfolge von Pionier-Unternehmen können dabei anspornen, sie liefern oft gute Geschichten, wie man Fortschritte erreicht – und welche Umwege man sich besser erspart.

Aber auch innerhalb des eigenen Unternehmens brauchen Sie das Engagement von vielen Abteilungen, an die Sie vielleicht nicht so schnell denken. Oft ist der oder die Nachhaltigkeitsbeauftragte ja so etwas wie ein fünftes Rad am Wagen, etwa so beliebt wie die Datenschutzwächter. Sie brauchen Kontakte: Neben der Geschäftsleitung, die das künftige Geschäftsmodell im Blick haben muss, geht das Thema auch die Personalabteilung etwas an, natürlich den Einkauf und Vertrieb, das Justiziariat, die Finanzfachleute, Fuhrpark, Kantine, Hausdienste und so weiter.

Und wenn es eine betriebliche Altersvorsorge gibt: Wissen Sie eigentlich, in welche Wertpapiere, in welche Aktien, welche Anleihen Ihr Geld dort investiert wird? Finanzdienstleister müssen inzwischen auch Auskunft geben über die Nachhaltigkeit ihrer Arbeit und nach der EU-Taxonomie-Verordnung ihre Anlagestrategie und Produkte erklären – auch wenn das noch nicht überall ausreichend funktioniert. Und zur Not kann man den Anbieter auch wechseln.

Schritt 5: Fördern Sie eine offene Kommunikationskultur im Unternehmen.

Dieser Ratschlag richtet sich vor allem an die Arbeitgeberseite: Informieren Sie die Belegschaft über die Ziele und Maßnahmen, die das Unternehmen „für das Klima“ verfolgt. Holen Sie Rückmeldung ein, ermuntern Sie zu Mitsprache und Initiative, und frustrieren Sie dann die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter nicht, die etwas beitragen wollen (bunter Pfeil zu Schritt 7). Gute Gesprächskanäle mit Personalvertretungen und Betriebsräten sowie Arbeitsschutzbeauftragten können trotz womöglich unterschiedlicher Interessen bei den kommenden Veränderungen helfen. Sie erleichtern der Belegschaft auch die Identifikation mit „ihrer“ Firma.

Diese Kommunikationskultur fühlt sich oft so an, als könnte man davon heute nur dann profitieren, wenn man schon vor 30 Jahren damit angefangen hat – aber jetzt damit zu starten verspricht nicht genug kurzfristigen Erfolg gemessen am Aufwand. Nicht jedes Unternehmen ist eben ein Familienunternehmen, in dem die jetzige Geschäftsführerin einst als Lehrling angefangen hat und immer ein offenes Ohr für die Belange der Mitarbeiter hat. In anderen Betrieben herrschen eher Spannungen zwischen Management und Arbeitnehmervertretung – wenn es überhaupt eine gibt.

Aber das Ziel, die Firma in eine klimagerechte Zukunft zu führen, kann ja auch der Anlass sein, einen Reset für die womöglich bisher belasteten Beziehungen zwischen Geschäftsleitung und Belegschaft vorzuschlagen. Auf Dauer eine wirksame Vertretung der Arbeitnehmer verhindern zu wollen, passt ohnehin nicht zum Anspruch auf Nachhaltigkeit (siehe das Stichwort „Social“ in Schritt 6).

Schritt 6: Entwickeln und kommunizieren Sie ein Leitbild der Nachhaltigkeit.

Dies könnte man als Aspekt der Kommunikationskultur in Schritt 5 auffassen, aber es verdient eine eigene Erwähnung, auch weil von hier ein bunter Pfeil Richtung Schritt 4 startet. Das Leitbild sollte nämlich möglichst auch öffentlich gemacht werden und kann sich an Vorbildern und Netzwerkpartnern orientieren. Nachhaltigkeit hat dabei drei Aspekte, für die die Buchstaben ESG stehen:

  • umweltgerecht (environmental): Das Unternehmen achtet unter anderem Schadstoff-Grenzwerte, schont die natürlichen Ressourcen, leistet seinen Beitrag zum Klimaschutz;
  • in sozialen Belangen offen (social): Das Management fördert Diversität, die Vereinbarkeit von Familie und Beruf etc., vereinbart faire Löhne und Lieferbedingungen und engagiert sich gesellschaftlich;  
  • Regeln sowie klaren Entscheidungsstrukturen verpflichtet (governance): dazu gehören Transparenz, Ethik und Compliance etwa mit Regeln zur Korruptionsbekämpfung.

Für Klimafragen könnte sich das Leitbild zudem auf das Konzept der planetaren Gesundheit stützen, also das Bestreben ausdrücken, in der eigenen Firma in jenen Grenzen zu wirtschaften, die – wenn alle anderen auch so agieren – das Erdsystem nicht überfordern. Das betrifft neben den Treibhausgasen vor allem dem Umgang mit Artenvielfalt und Ökosystemen, die Belastung von Landflächen, Gewässern und Meeren und, wo relevant, Stickstoff und Phosphor.

Viele Unternehmen haben in der öffentlichen Kommunikation offenbar Sorge, des greenwashing beschuldigt zu werden, also substanzloser Werbebotschaften mit angeblichem umweltgerechtem Verhalten. Das bedeutet nicht nur einen großen Imageschaden, sondern kann demnächst auch sanktioniert werden, weil die EU eine Richtlinie zu green claims vorbereitet.

Die Gefahr ist, dass Unternehmen in diesem Umfeld in das sogenannten greenhushing verfallen, also die entgegengesetzte Strategie verfolgen, sich überhaupt nicht mehr zu eigenen Initiativen zu äußern, damit ihnen das nicht als Verstoß ausgelegt werden kann. Damit schrumpft aber das Spektrum möglicher Vorbilder, an denen sich andere orientieren. Und es können sich keine sozialen Normen ausbilden, die zeigen, dass sich „immer mehr“ oder „schon viele“ Unternehmen auf den Weg zum klimagerechten Wirtschaften machen.

Schritt 7: Führungskräfte müssen Vorbilder im Unternehmen sein.

Sie müssen Zuversicht und Mut verbreiten. Das gehört auch in den Dunstkreis der offenen Kommunikationskultur und der gegenseitigen Wertschätzung. Initiativen im Unternehmen verpuffen, und das Engagement wichtiger Mitarbeiter:innen mit tollen Ideen wird frustriert, wenn das Management es nicht mitträgt und mitmacht: Die Belegschaft von Jobrädern zu überzeugen, während alle Vorgesetzen je nach Position immer größere Dienstwagen fahren, wird an einem Glaubwürdigkeitsproblem scheitern. Und die Beteiligung an einer Veganuary-Aktion wächst womöglich stark , wenn sich die Chefin demonstrativ daran beteiligt und laut darüber spricht.

Schritt 8: Nutzen Sie die Angebote der betrieblichen Gesundheitsförderung.

Die Teilnahme an solchen Angeboten ist für Arbeitgeber wie Arbeitnehmer freiwillig. Aber hinter dem Programm steht viel Geld, das die Krankenkassen nach gesetzlichen Vorgaben ausgeben – oder abgeben – müssen. Das Budget 2023 lag bei 269 Millionen Euro. Wichtig ist aber: Achten Sie darauf, dass es in dem Programm eine Klimakomponente gibt und dass diese sichtbar und explizit ausgesprochen wird.

Ersteres ist einfach: Gesunde Ernährung und Mobilität im Alltag wie auf dem Arbeitsweg sind aus sich heraus auch dem Umwelt- und Klimaschutz dienlich (Co-Benefits, bunter Pfeil zu Schritt 2). Suchtprävention letztlich auch, wenn Sie an die weggeworfenen Zigarettenfilter und Einweg-Vapes oder den Anbau von Tabak denken. Zweiteres aber müssen Sie oft noch eigens einfordern, zum Beispiel indem Sie auf eine Einbettung der Maßnahme etwa in das Konzept der planetaren Gesundheit und auf dessen Vorstellung achten. Auch wenn Ihnen schon klar sein sollte, was zum Beispiel eine gesündere Ernährung mit dem Klima zu tun hat – viele andere in Ihrer Firma wissen es nicht; denen sollte man helfen, die Gedankenfäden zu verknüpfen.

Es gibt zunehmend Anbieter solcher Kurse, die schon von allein die Gesundheit mit dem Klima verbinden. Finden Sie keinen oder haben Sie gute Beziehungen zu einem solchen Anbieter, der aber noch nicht so weit denkt, dann machen sie das zur Geschäftsgrundlage. Womöglich finden Sie heraus, dass der Anbieter von dem Wunsch angenehm überrascht ist. Für kleine Firmen gibt es regionale BGF-Koordinierungsstellen, die auf Angebote hinweisen und beim Papierkram helfen können.

In dem erwähnten Bericht der Betriebskrankenkassen von 2023 heißt es dazu: „Klimasensibles Betriebliches Gesundheitsmanagement kann dazu beitragen, gesundheitliche Belastungen am Arbeitsplatz zu reduzieren und die physische und psychische Resilienz der Beschäftigten zu stärken.“ Es solle möglichst „unter aktiver Beteiligung der Abteilungen und Mitarbeitenden im Unternehmen“ geplant und angeboten werden.

Schritt 9: Schaffen Sie geschützte Räume,

in denen die Belegschaft auch Sorgen im Zusammenhang mit dem Klimawandel ansprechen kann, ohne dass sie vielleicht gleich den Vorgesetzten zu Ohren kommen. Denn auch bei einer offenen Kommunikationskultur fühlen sich Mitarbeiter:innen womöglich nicht wohl, private Belange in der Firma zu besprechen. Geht es dabei um gesundheitliche Aspekte, dann bietet neben den Angeboten für betriebliche Gesundheitsförderung (bunter Pfeil zu Schritt 8) ein betriebsärztlicher Dienst mit Ambulanz oder Sprechstunde eine gute Möglichkeit für solche geschützten Räume.

In der Regel müssen Firmen sowieso einen Werksarzt oder eine -ärztin haben. Diese Person kann dann mit anonymisierten Daten und Hinweisen auch bei der Analyse zum Arbeitsschutz helfen. Geschäftsführung oder Personalabteilung wissen ja oft nicht, ob in der Belegschaft vulnerable Menschen sind, die zum Beispiel mit Herzproblemen, bei eingeschränktem Immunsystem oder wegen psychischer Belastung von Klimawandelfolgen besonders betroffen wären.

Schritt 10: Denken Sie über Strukturen nach.

Änderungen in persönlichen Gewohnheiten wie auch in etablierten Geschäftspraktiken können schwerfallen. Darum sollten Sie bei der Planung von Maßnahmen aktiv darüber nachdenken, welche strukturellen Veränderungen es Ihnen und anderen erleichtern würden, die gleiche Entscheidung zu treffen – und ob Sie auf diese Strukturen Einfluss nehmen können.

Am Beispiel der Jobräder: Wenn die Firma bei der Stadt anmahnt, dass der Fahrradweg zum Betriebsgelände so gestaltet wird, dass ihn die Belegschaft gefahrlos benutzen kann, fällt den einzelnen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern die Entscheidung leichter, auch wirklich eher mit dem Fahrrad als dem Auto zur Arbeit zu kommen (bunter Pfeil zu Schritt 1 und 2). Solche strukturellen Veränderungen für die geschäftlichen Rahmenbedingungen können Netzwerke oder Verbände von Unternehmen mit größerem Nachdruck bei der Politik anmahnen (bunter Pfeil zu Schritt 4).

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Bei all dem könnten Sie eines im Hinterkopf behalten: Das Klima ist nur eines der gravierenden Probleme. Im globalen Maßstab ist die Krise der Artenvielfalt sehr bedrohlich, auf der Ebene des Betriebs vielleicht die Absatzflaute oder die Aussicht auf drastisch erhöhte Zölle in den USA – und die Mitglieder der Belegschaft plagen vielleicht noch die Sorgen über die Zukunft ihrer Kinder, die Auswirkungen der Hitzewellen auf ihre pflegebedürftigen Eltern, oder die Frage, wie sie eine umweltfreundliche aber letztlich auch kostensparende neue Heizung für das Eigenheim bezahlen sollen. In dieser Situation kann man sich lange den Kopf zermartern, wo man mit seinem Engagement am meisten bewirkt. So lange, dass man viel Zeit vertrödelt.

Dann können die Gedanken des Philosophen Charles Eisenstein helfen. In seinem Buch „Klima. Eine neue Perspektive“ breitet er das Konzept des „Interbeing“ aus, das die Trennung zwischen Menschen verschiedener Gruppe, aber auch von Menschheit und Natur aufhebt. „Die Welt ist ein Teil von mir, so wie ich ein Teil von ihr bin. Was der Welt geschieht, geschieht in gewissem Sinne auch mir“, schreibt Eisenstein. „Interbeing muss mehr sein als ein philosophisches Konzept, wenn sich irgendetwas ändern soll. Es muss eine Art zu sehen, ein Seinszustand, ein strategisches Prinzip und vor allem eine gefühlte Realität sein.“

Bezogen auf Ihren Wunsch „etwas fürs Klima“ zu tun, kann das bedeuten, dass Ihre Initiativen vielleicht vordergründig die Artenvielfalt schützen oder die Lebenswelt von indigenen Völkern am anderen Ende der Welt – indirekt aber auch die Klimakrise bekämpfen. Damit schließt sich auch der Zirkel zu Schritt 1: Fangen Sie einfach irgendwo an.

 

#BetriebsKlima – die anderen Teile der Serie: