Der Formel-1-Rennfahrer (und bekennende Veganer) Lewis Hamilton hat 5,8 Millionen Twitter-Follower, Tennisstar Serena Williams bringt es auf 10,8 Millionen, der Fußballclub Manchester United auf 18,5 Millionen. Das kommunikative Potenzial des Sports in den digitalen Netzwerken ist also immens - aber nicht nur dort. Rund um den Sport hat sich eine weltumspannende Aufmerksamkeitsindustrie von Medien, Veranstaltern, Sponsoren, Werbekunden, Ausrüstern und Fanartikelherstellern etabliert.
Die Größe dieser weltweiten Sportindustrie ist schwierig zu messen. Auf einer Veranstaltung am Rande des UN-Klimagipfels im polnischen Katowice (COP24) schätzte der Vize-Generalsekretär des UN-Klimasekretariats (UNFCCC), Ovais Sarmad, den Jahresumsatz auf rund 500 Milliarden Dollar ein. Milliarden, die natürlich mit erheblichen Emissionen an Treibhausgasen verbunden sind - zum Beispiel beim Bau und Unterhalt von Sportstadien, bei den An- und Abreisen zu internationalen Großveranstaltungen oder bei der Essensversorgung von Zuschauern und Begleittross.
"Together we can win the race against climate change" - mit diesem Slogan auf den Lippen sind Dutzende Sportlerinnen und Sportler in dem Youtube-Clip zu sehen, den IOC und UN-Klimasekretariat zum Start ihrer UN Sports for Climate Action Initiative am Rande des UN-Gipfels COP24 in Katowice vorstellten; Screenshot: UNFCCC
"Der Sport trägt also gleichzeitig zum Klimawandel bei, wie er davon betroffen ist", betonte Sarmad: Große Hitze kann das Zuschauen bei Sportveranstaltungen unerträglich machen, ganz zu schweigen von den gesundheitlichen Folgen für die Sportlerinnen und Sportler. Starkregen, Stürme und Überschwemmungen schädigen oder zerstören Sportplätze und Arenen. Und für nahezu alle Wintersportarten wird die Kombinationen aus zunehmendem Schneemangel und steigenden Temperaturen zur puren Überlebensfrage.
"Die Ozeane sind unser Spielplatz, unser Büro, unsere Kirche"
Dieser Dreiklang aus öffentlicher Aufmerksamkeit, Anteil am Klimawandel und Betroffenheit durch dessen Auswirkungen macht den Sport zu einer der spannendsten kommunikativen Baustellen der öffentlichen Debatte über den Klimawandel. Dass sie auf dieser Baustelle künftig stärker sichtbar sein wollen, das machten Athleten und Sportverbände auf der Veranstaltung am Dienstag in Katowice deutlich. "Gemeinsam können wir einen Unterschied machen", lautet der Titel einer Kampagne, die das UNFCCC auf der COP24 gemeinsam mit 17 Sport-Organisationen startete, darunter das Internationale Olympischen Komittee (IOC) und der Weltfußball-Verband FIFA.
Die Veranstaltung in Katowice wurde eröffnet von Fürst Albert II. von Monaco, der sich schon länger mit der Organisation Sea Shepherd Conservation Society für den Schutz der Ozeane einsetzt und die Möglichkeiten des Sports beschwor: "An der Schwelle zu einer globalen Umweltkatastrophe kann uns der Sport inspirieren, das Richtige zu tun." Diese Botschaft ist im Sport offenbar angekommen. "Die Ozeane sind unser Spielplatz, unser Büro, unsere Kirche" - mit diesen Worten beispielsweise beschreibt Reece Pachero, Geschäftsführer des internationalen Surfsportverbands World Surf League, warum seine Organisation sich für den Klimaschutz einsetzt. Das weltweite Profisurfing vor den Küsten Kaliforniens, Hawaiis, Australiens oder Brasiliens hat wegen zahlreicher Flugreisen selbst einen beträchtlichen CO2-Fußabdruck – und leidet andererseits direkt unter den Umwelt- und Klimabeeinträchtigungen der Ozeane.
Wer könnte Sportfans besser für Klimaschutz gewinnen als Sportler?
Maximale Offenheit beim Ansprechen der ambivalenten Doppelnatur seines Sports hält Pachero daher für die wichtigste Kommunikationsstrategie. "Wir wissen, dass Flugreisen mit Abstand am stärksten zu unserer negativen Klimabilanz beitragen – dennoch ist unser Ziel klar, dass wir so schnell wie möglich eine CO2-Neutralität unseres Sports erreichen wollen." Was vorerst aber nur mit Kompensationsmaßnahmen möglich sei.
Auch wenn Surfen nicht mit Super-Promis wie Ronaldo, Hamilton oder Williams aufwarten kann - Reece Pachero sieht auch für kleinere Sportarten großes Potential, Menschen mit dem Thema Klimawandel zu erreichen. "Wenn wir etwa Surfer für den Klimaschutz mobilisieren wollen, dann sollten wir uns nicht damit verrückt machen, dass Ronaldo auf Facebook Millionen Follower hat und wir als Surfer nicht. Was wir brauchen, ist eine Balance aus Reichweite und Einfluss. Und es sind eben Surfer, die einen Einfluss auf Surfer haben - und nicht ein Fußballer wie Ronaldo."
Ein britischer Fußballclub mit veganem Catering und Stadion aus Holz
Doch auch Fußballer haben die Klimakommunikation für sich entdeckt – sei es Dale Vince, der mit seinen Forest Green Rovers als etwas anderer Verein in der britischen Fußballszene in etwa die Rolle spielt, die dem FC Sankt Pauli in Deutschland zukommt. "Bei uns haben Umwelt und Fußball den gleichen Stellenwert", sagt Vereinspräsident Vince. Deshalb bauen die Forest Green Rovers derzeit das nach eigenen Angaben weltweit erste Sportstadium, das aus Holz besteht – und deshalb ohne klimaschädliches Beton auskommt.
Außerdem servieren die Rovers ihren Spielern und Zuschauen beim Training und bei Spielen ausschließlich vegane Kost – was ihn ebenfalls zu einem weltweiten Vorreiter macht. Und zu einem Influencer in der Frage, wie das Selbstbild von Fußballern und der Klimaschutz in der Öffentlichkeit zusammenkommen. "Fleischessen hat viel mit einem weitverbreiteten Bild von Männlichkeit zu tun, was wiederum für den Fußball eine wichtige Rolle spielt", sagt Dale Vince. "Als wir es dann aber gemacht haben, waren die Diskussionen erstaunlich schnell beendet – unsere Spieler haben einfach ziemlich schnell verstanden, dass eine vegane Ernährung gut für ihre Gesundheit und ihre Fitness ist."
Karina LeBlanc, Torhüterin der kanadischen Fußball-Nationalmannschaft: "Ich will, dass die Heldinnen und Helden des Sports ihre Stimme erheben und über den Klimawandel sprechen"; Foto: Carel Mohn
Das vielleicht eindrucksvollste Beispiel einer Symbiose von Sport, der eigenen Lebensgeschichte und der Rolle als öffentliche Person liefert die Fußballerin Karina LeBlanc. Die auf der Karibikinsel Dominica geborene Torhüterin spielte von 1998 bis 2015 in der kanadischen Nationalelf, war Rekordtorhüterin ihres Landes und errang 2010 mit ihrem Team den Sieg bei der mittel- und nordamerikanischen Meisterschaft der Frauenfußball-Nationalmannschaften. "Mir hat der Fußball geholfen, aus einem pummeligen, schüchternen Mädchen zu einer Frau zu werden, die weiß, dass es im Sport um etwas geht, das größer als jeder einzelne von uns." Die Bekanntheit, die ihr der Fußball gebracht hat, nutzt sie, um mit Verve für Klimaschutz zu werben – nicht zuletzt im Interesse ihres Geburtslandes Dominica, das 2015 und 2017 von den Wirbelstürmen Maria und Erika verwüstet wurde. Die beiden Hurrikans waren so heftig, dass dabei die dreifache Wirtschaftsleistung eines gesamten Jahres vernichtet wurde. Wegen der völlig zerstörten Infrastruktur wurden viele Vermisste erst nach Tagen gefunden – LeBlancs Großmutter nach neun Tagen.
"Life is about showing up", fasst LeBlanc ihre Motivation zusammen, sich als UNICEF-Botschafterin für den Klimaschutz einzusetzen – zu deutsch: Es gehe im Leben darum, am richtigen Ort zu sein, wenn man gebraucht werde. "Wir als Sportlerinnen und Sportler sollten den Anspruch haben, nicht nur hübsche sportliche Erfolge auf Instagram zu posten", sagt LeBlanc. "Ich will, dass die Heldinnen und Helden des Sports ihre Stimme erheben und über den Klimawandel sprechen. Dieses Gespräch über den Klimawandel sollten wir überall und jederzeit führen."
Carel Mohn