Torsten Schäfer ist Journalist und arbeitete unter anderem für FAZ, GEO und Süddeutsche Zeitung. Seit 2013 ist er Professor für Journalismus an der der Hochschule Darmstadt. Dort ist er unterem für das Medienportal Grüner Journalismus verantwortlich. Sein aktuelles Forschungsprojekt befasst sich mit dem sogenannten "Storytelling", einem neuen Trend im Journalismus, nicht nur Informationen zu vermitteln, sondern wieder stärker Geschichten zu erzählen.
Herr Professor Schäfer, Umweltbewusstsein allein führt nicht zu geringerem Energieverbrauch, ergab kürzlich eine Studie des Umweltbundesamtes (UBA). Hat dieses Ergebnis Sie überrascht?
Nein, das deckt sich im Großen und Ganzen mit Studien, die man aus der Umweltsoziologie oder Umweltpsychologie kennt. Überraschend ist aber, dass der Energieverbrauch über alle Verbrauchsbereiche hinweg um so höher ist, je positiver die Umwelteinstellung ist.
Zwar gab es solche Ergebnisse auch schon in anderen Untersuchungen, etwa von Peter Preisendörfer. Aber in der breiten Öffentlichkeit und manchmal auch noch im Fachdiskurs und vor allen Dingen in der Politik kommt trotzdem immer wieder dieser Ansatz: "Wir müssen die Menschen besser informieren", man setzt also auf noch mehr Studien, noch mehr Informationskampagnen und Broschüren. Dann, so die Annahme, wird das schon irgendwie funktionieren mit der Übertragung der Fakten auf die Verhaltensebene. Doch das ist ein falscher Schluss, und davon muss man irgendwann mal wegkommen.
Was wäre denn die Alternative?
Etwas wie Storytelling und emotionale Kommunikation! In vielen Feldern der Umweltpolitik und im Klimabereich gibt es überhaupt kein Informationsproblem. Es gibt riesige Mengen von Quellen, von Informationen, weil eben immer mehr produziert wird - wichtig ist dann der Sprung in eine interessante Kommunikation, in eine mitreißende oder zumindest attraktive Berichterstattung.
Können Sie Beispiele für solchen mitreißenden Journalismus nennen?
Die ZEIT beispielsweise macht tolle, große Dossiers zum Klimawandel, zu nachhaltigem Konsum, zu Elektromobilität, Landwirtschaft und Ernährung. Auch in GEO finden Sie immer wieder herausragende Geschichten. Es gibt Projekte wie FuturZwei des Sozialpsychologen Harald Welzer, der zusammen mit Journalisten Geschichten des Gelingens sammelt. Natürlich finden Sie auch im Greenpeace Magazin Formate, die erzählerisch angelegt sind und in Heften wie ZeoZwei, Enorm, Brand Eins oder dem noch relativ neuen Online-Magazin Perspective Daily.
Man sollte sich aber nicht vormachen, dass die Medien heutzutage direkt Verhaltensveränderungen produzieren können - das ist nämlich nur in Ausnahmen der Fall.
Journalismus bewegt sich immer auf der kommunikativen Ebene - die aber offenbar nicht viel bringt?
Genau. Die Stoßrichtung in den Medien, aber auch in der Politik oder in der wirtschaftlichen Kommunikation besteht heute ganz oft darin, Umweltverantwortung auf die Gesellschaft auszulagern. Armin Grundwald vom KIT in Karlruhe hat das mit dem Begriff "Privatisierung der Nachhaltigkeit" auf den Punkt gebracht. Er bedeutet, dass wir bei der gesellschaftlichen Diskussion über Nachhaltigkeit und Umwelt oft nur noch daran denken, was der Konsument und der Einzelne tun könne. Was der Staat tun könnte, fragen wir teilweise schon gar nicht mehr.
Dahinter steht ein neoliberales Paradigma, was wir seit 30 Jahren und länger kennen. In der Analyse der Dinge oder beim Skizzieren von Lösungen haben wir den Staat mit der Gesetzgebung und der Ordnungspolitik teilweise gar nicht mehr auf der Rechnung. Das ist ein fataler Prozess. Wir müssen aufpassen, in der Kommunikation und im Journalismus nicht immer nur zu fragen: Was kann der Einzelne tun? Natürlich sind Verhaltensveränderungen nötig – aber wir brauchen auch Gesetze. Bei Automotoren, der Energieeffizienz, dem Heizen. Da braucht es striktere Vorgaben, denen sich Einzelne nicht mehr so stark entziehen können. Und da enthält die UBA-Studie ja auch einige klare Botschaften an die Politik.
Heißt das, dass Journalisten gegen Neoliberalismus anschreiben sollten?
Nein, das wäre Thesenjournalismus. Aber wenn das neoliberale Paradigma so stark ist, dann ist es ein sinnvolles Korrektiv, in der Umweltdebatte auch nach einem stärkeren Staat und neuen Gesetzen zu fragen. Dann steige ich als Journalist sozusagen auf die Wippe und schaue, dass die sich ein Stück weit in Richtung Ausgewogenheit bewegt. Dasselbe gilt für Ansätze von Postwachstum, von Genügsamkeit und Suffizienz - dass man diese Ansätze im Spiel hält und einfach fragt: Wie könnte man das Wirtschaftssystem noch verändern und überarbeiten, damit es nachhaltiger ist? Das ist gesunde Neugier.
Interview: Susanne Ehlerding