Eigentlich ist die Sache ganz einfach: Zum Wohle des Klimas (und damit auch der Menschheit) müssen unsere Treibhausgasemissionen möglichst schnell auf Null sinken. Den Ausstoß kostenpflichtig zu machen, ist nicht das einzig mögliche Mittel, um dies zu erreichen – aber doch ein sehr geeignetes Mittel. Dadurch würden fossile Energien teurer, ihr Verbrauch sänke.
In einem zweiten Schritt könnte der Staat dann einen Teil der Einnahmen aus dieser sogenannten „CO2-Bepreisung“ an die Bürger:innen zurückgeben. Dies kann die finanziellen und sozialen Folgen vor allem für Menschen mit geringem Einkommen abfedern; und je nach Konzept könnten sie sogar finanziell profitieren: Wenn es eine pauschale Erstattung pro Kopf gibt würden Geringverdiener (die meist auch geringe Emissionen haben) mehr im Geldbeutel haben als vor Einführung des CO2-Preises. Mit dem übrigen Geld werden Investitionen finanziert, die das Ziel einer klimafreundlichen Gesellschaft näherbringen.
Angekommen in den Parteiprogrammen. Aber nicht in den Köpfen
In Deutschland ist diese Idee in Grundzügen seit Anfang 2021 sogar schon Wirklichkeit: Es gibt einen CO2-Preis, dessen Einnahmen die damalige Große Koalition eingeplant hat, um den Strompreis zu senken und Investitionen zu fördern, beispielsweise in den Ausbau der E-Auto-Ladeinfrastruktur und des Öffentlichen Nahverkehrs. Im Grundsatz sind sich die meisten Parteien – von der Union bis zu den Grünen – weitestgehend einig: Ein Preis auf Kohlendioxid soll die Klimapolitik voranbringen, die Einnahmen sollen (zumindest teilweise) an die Bürger:innen zurückfließen. Nur die Linke hält das Instrument für teuer und ineffizient (und die AfD bestreitet ganz prinzipiell die Realität des menschengemachten Klimawandels).
"Spritpreisschraube", "Spritpreisbremse" - wenn klimapolitisch sinnvolle Preissteigerungen die tankenden Autofahrer:innen treffen, wird in Debatten schnell emotionalisiert und polemisiert; Foto: Carel Mohn
Doch trotz seines breit anerkannten Nutzens gibt es um den CO2-Preis immer wieder heftige Diskussionen: Im Bundestagswahlkampf stritten sich die Parteien um seinen Einfluss auf den Benzinpreis. Der heutige Kanzler Olaf Scholz warnte vor einer „Spritpreisschraube“, Vertreter von Union und FDP forderten eine „Spritpreisbremse“, der bayerische Ministerpräsident Markus Söder (CSU) wollte gar die Pendlerpauschale erhöhen, was klimapolitisch kontraproduktiv gewesen wäre. Es schien, als sei der Sinn des CO2-Preises zwar in den Wahlprogrammen angekommen, aber noch nicht in den Köpfen der politisch Verantwortlichen.
Der CO2-Preis belaste vor allem die Einkommensschwachen und sei deshalb unsozial: Um diesen Einwand dreht sich die Debatte meistens. Dabei muss das gar nicht stimmen – wenn man die Einnahmen klug verwendet. Das belegen diverse Forschungsarbeiten, beispielsweise vom Öko-Institut und vom Mercator Institute for Global Commons and Climate Change (MCC). Dass das Geld an die Bevölkerung zurückgegeben werden soll, hat die Große Koalition beschlossen – und die Ampel will das nun weiter vorantreiben. Im Koalitionsvertrag verspricht sie, dass Strom künftig billiger werden und dass es einen „starken sozialen Ausgleich“ geben solle, „insbesondere (für) Menschen mit geringeren Einkommen“.
Nicht so sehr über das Ob streiten. Sondern über das Wie
Ein „starker sozialer Ausgleich“ – diese Botschaft, so sinnvoll sie ist, drang allerdings schon im Wahlkampf kaum durch. Warum hat sie es so schwer? Und was könnte die Klimakommunikation beitragen, damit die Diskussion um den CO2-Preis konstruktiver geführt wird? Also nicht mehr auf der Basis von Vorurteilen wie jenem, dass ein solcher Preis zwingend unsozial sei – sondern viel stärker über die Frage, wie er gestaltet werden müsste, um Menschen mit geringem Einkommen zu unterstützen?
Manche Antworten auf den Beitrag der Klimakommunikation zu einer weniger verkürzten CO2-Preis-Debatte haben mit ökonomischen Argumenten zu tun. Mit neuem Wohlstand beispielsweise, der nach und nach auf klimafreundliche Art entstehen kann. In anderen geht es eher um Fairness und Gerechtigkeit. Wieder andere handeln von Transparenz, von Vertrauen in den Staat und der Verlässlichkeit von Politik. Und vom Gefühl, dass die Politik sich wirklich traut, die Herausforderung des Klimawandels entschlossen und umfassend anzugehen.
Ein CO2-Preis ermöglicht sinnvolle Investitionen – also neue Arbeitsplätze
Daniel Klingenfeld ist Fachmann für ökonomische Grundsatzfragen und Emissionshandel am Umweltbundesamt (UBA). Er benennt ein Wohlstandsargument, das in der Debatte bisher unterbeleuchtet sei: Man solle mehr über die guten Seiten der Klimapolitik reden. Zum Beispiel über die Investitionen, die durch den CO2-Preis möglich werden. „Über E-Mobilität, über Ladesäulen, über die Solaranlage auf dem Dach. Dadurch entsteht neue regionale Wertschöpfung. Davon haben alle was.“
Dazu passen die Ergebnisse einer kürzlich in der Fachzeitschrift Nature Communications erschienenen Studie, die auf einer Befragung in Spanien basiert. Die Akzeptanz einer CO2-Steuer steige, wenn die Einnahmen für Klimaprojekte verwendet würden, so ein Fazit. Die Kombination aus klimafreundlichen Investitionen und Rückverteilung an Haushalte mit niedrigen Einkommen steigere ebenfalls die Akzeptanz.
Bei der Ampelkoalition ist das Klimageld noch im Entwicklungslabor
Würden die fossilen Energien wegen eines steigenden Weltmarktpreises teurer (wie bisher allzu oft geschehen), „dann ist das Geld der Menschen wirklich weg“, erklärt Klingenfeld. „Steigt der Preis aber wegen eines hohen CO2-Preises, bekommen sie es wieder zurück. Das ist ein Riesenunterschied. Und das muss man den Menschen nicht nur sagen. Sie müssen es auch wirklich merken.“
Dabei denkt Klingenfeld nicht nur an Investitionen, sondern auch an Rückzahlungen an die Bürger:innen. Die Bundesregierung aus SPD, Grünen und FDP plant vor allem, den Strompreis zu senken. Ein Klimageld, das im Wahlkampf vor allem als Pro-Kopf-Pauschale diskutiert wurde, will sie laut Koalitionsvertrag „entwickeln“. Klingenfeld: „Ganz egal, auf welchem Weg das Geld zurückgezahlt wird – Menschen mit niedrigem Einkommen profitieren davon grundsätzlich am stärksten. Das ist das zentrale Argument.“
Gerechtigkeit ist für die Akzeptanz offenbar wichtiger als Wirksamkeit
Womit wir beim zweiten der bislang selten benannten Aspekte des CO2-Preises wären, der Gerechtigkeit. Die von den Befragten empfundene Fairness einer Bepreisung sei für dessen Akzeptanz wichtiger als seine empfundene Wirksamkeit, schreiben die Autor:innen der spanischen Studie.
Forschende des RWI-Leibniz-Instituts für Wirtschaftsforschung und des Potsdam-Instituts für Klimafolgenforschung (PIK) haben in mehreren Studien untersucht, was die Akzeptanz für einen CO2-Preis beeinflusst. Eine Erkenntnis: Viele Menschen finden Investitionen in eine klimafreundlichere Zukunft gut. Wer aber jene vom CO2-Preis überzeugen will, die der Klimapolitik bislang eher skeptisch gegenüberstehen, sollte lieber die erzielten Einnahmen an die Bevölkerung zurückzahlen. Zögert die Politik den sozialen Ausgleich zu lange hinaus, warnen die Forscher:innen, könnte sie das Vertrauen sehr vieler Menschen verlieren.
Wie genau das Geld zurückgegeben werden soll? Die Antwort darauf hängt stark von den persönlichen Gerechtigkeits- und Fairnessvorstellungen der Befragten ab. Ist es gerecht, wenn Arme mehr erhalten als andere? Oder soll jede:r den gleichen Betrag bekommen (wovon Geringverdiener ebenfalls überproportional profitieren würden)? Verläuft die Rückzahlung nach persönlich als fair empfundenen Regeln, wären die meisten der vom RWI und PIK Befragten sogar mit einem relativ hohen CO2-Preis von 100 Euro pro Tonne einverstanden.
Eine typische Reaktion auf Twitter:
„Wir glauben einfach nicht, dass der Staat uns etwas zurückgibt“
Die MCC-Generalsekretärin Brigitte Knopf sagt: Vielleicht haben die Klimaökonom:innen es von Anfang an falsch angepackt. „Bis vor ein paar Jahren war das Hauptargument: Ein CO2-Preis senkt die Emissionen, und er tut das effizient. Das wirkte kalt.“ Zwar seien auch Verteilungsfragen in der Fachliteratur immer diskutiert worden. „Aber ich habe das Gefühl, das ist nicht durchgedrungen.“
Knopf hat in den vergangenen Monaten den CO2-Preis und seine Verteilungswirkungen immer und immer wieder auf Twitter erklärt. Dabei stieß sie immer wieder auf die gleiche, bemerkenswerte Reaktion: „Ich war erschüttert, wie oft unter meinen Threads kommentiert wurde: Wir glauben einfach nicht, dass der Staat uns etwas zurückgeben wird. Da fehlt es an einem ganz grundlegenden Vertrauen.“ Dazu passe, dass in Ländern mit besonders niedriger Korruption der CO2-Preis eher hoch sei. „In den nordischen Ländern ist das zum Beispiel so. Dort haben die Bürger:innen ein großes Vertrauen in den Staat.“
Knopf sagt: Umso wichtiger sei es, dass der Staat ganz besonders transparent darüber Auskunft gebe, wie die Einnahmen aus dem CO2-Preis verwendet werden – eben weil so offensichtlich ist, dass er zunächst einmal eine finanzielle Belastung ist. „Im Moment aber weiß kaum jemand außerhalb der CO2-Preis-Blase, was mit dem Geld geschieht.“ Das sei fatal.
Die Weltbank hat im Jahr 2018 einen Leitfaden veröffentlicht mit Tipps zur Kommunikation der CO2-Bepreisung für politische Entscheider:innen und ihre Kommunikationsfachleute. Die wesentlichen Empfehlungen:
- Gute Kommunikation braucht gute Politik. Schlechte Politik kann auch durch „magische Worte“ nicht gerettet werden. Die Kommunikation sollte integraler Bestandteil der CO2-Preis-Politik sein, nicht nur ein netter Zusatz. Ihre Ziele sind klar zu definieren.
- Das Geld, das durch den CO2-Preis eingenommen wird, sollte sinnvoll zurückgegeben werden, beispielsweise durch Investitionen in Umweltprojekte oder in Vorhaben, die der Gemeinschaft auf andere Art besonders zugutekommen, oder in Form direkter Rückzahlungen. Je sichtbarer das geschieht, desto besser.
- Es kann sinnvoll sein, sich stärker auf die Vorteile des CO2-Preises zu fokussieren als auf seine Bedeutung im Kampf gegen die Erderwärmung. Den Klimawandel als Bedrohung zu zeichnen, dem man mit Hilfe eines CO2-Preises begegnen müsse, kann hingegen schaden. „Bedrohungsbotschaften sind in vielen Fällen schiefgegangen.“
- Es kommt darauf an, Vertrauen zu schaffen.
- Die Kommunikation sollte die Werte des Publikums widerspiegeln. Das bedeutet auch: Man muss die Menschen kennen, die man anspricht. Wer ist offen für einen CO2-Preis? Wer würde ihn aktiv unterstützen? Wo gibt es Opposition? Sie vorherzusehen und frühzeitig darauf eingehen zu können, ist besonders wichtig. Befragungen und andere Untersuchungstechniken können als wichtige Grundlage einer Kommunikationsstrategie dienen.
- Kommunikation ist keine Einbahnstraße. Offenheit für Kritik, Ratschläge und generelles Feedback ist zentral. Menschen, die vor Ort Vertrauen genießen, können helfen, die Bürger:innen zu erreichen.
- Sei konsistent in der Botschaft, und halte sie einfach.
- Was sich bewährt hat: Den CO2-Preis als faires, ausgewogenes Instrument für den Wandel hin zu einer sauberen Energieversorgung darzustellen.
- Was nicht so gut klappt: „Narrative, die sich darauf fokussieren, ‚der Kohle einen Preis zu geben‘ oder ‚soziale Kosten fossiler Energie zu internalisieren‘, funktionieren außerhalb eines Finanz- und Wirtschaftspublikums schlecht.“ Und sich auf einen Konsens unter Expert:innen zu berufen, könne sogar kontraproduktiv sein und die Gegnerschaft verstärken.
Transparenz ist eine Sache. Verlässlichkeit ein weiterer Faktor, der Vertrauen schaffen kann. „Die Politik muss sich glaubwürdig selbst binden“, sagt Ottmar Edenhofer, Direktor des PIK und des MCC. „Sonst gerät sie in Versuchung, den CO2-Preis doch nicht so stark zu erhöhen, sobald Schwierigkeiten auftauchen.“ Die Bürger:innen und Investor:innen müssten aber sicher sein können, dass die Regierung ihre Ankündigungen tatsächlich umsetze. „Die Rückzahlung muss kommen“, sagt Edenhofer. „Und der CO2-Preis muss auf lange Sicht ausreichend hoch werden, dass sich beispielsweise für Stahlwerke die Investition in klimafreundliche Technologien lohnt.“
Bei Investitionen ins Gemeinwohl steigt die Zustimmung
Viele Bürger:innen würden sich eine beherzte Klimapolitik sogar wünschen. Eine Politik, die Klimaschutz, Wirtschaft und Soziales in einem integrierten Ansatz verbindet, gemeinsame Regeln für alle schafft und „Zug in die Sache“ bringt. Zu dem Ergebnis kam die gemeinnützige Organisation More in Common in einer Untersuchung zu Klimaschutz und gesellschaftlichem Zusammenhalt. „Man erwartet politisches Handeln – und hat eher ein Problem mit politischer Unentschiedenheit“, schreiben die Autor:innen. Die Befragten in der Studie fänden Klimaschutz dann besonders attraktiv, wenn er das Gemeinwesen stärke, beispielsweise durch die Einführung eines kostenlosen öffentlichen Nahverkehrs, den 84 Prozent befürworteten.
Zur beherzten Politik gehört auch eine klare Kommunikation. Aber deren Bedeutung werde von der Politik allzu oft unterschätzt, sagt Knopf. „Als beispielsweise 2019 das Klimapaket mit dem CO2-Preis beschlossen wurde, hat man kaum darüber geredet, was mit dem Geld passieren würde.“ Obwohl es dafür einen recht klaren Plan gab. Doch die Regierung scheute davor zurück, Verteilungsfragen und wirtschaftliche Auswirkungen ihrer eigenen Beschlüsse klar anzusprechen und zur Diskussion zu stellen.
Womöglich hatten die Verantwortlichen schon damals Sorge, dass sie eine Debatte über den vermeintlich unsozialen CO2-Preis lostreten würden – und statt offensiv damit umzugehen, schwiegen sie lieber. Es geschehe oft in der Politik, dass die Kommunikation vernachlässigt werde, sagt Knopf. „Und das ist ein großes Problem.“
Alexandra Endres