Zwei Tage, sechs wissenschaftliche Vorträge, 18 Praxis-Workshops, eine multikonfessionelle Morgenandacht. eine musikalische Uraufführung. 280 Teilnehmerinnen und Teilnehmer, mehr als 500 Twitter-Nachrichten mit dem Hashtag #k3klima, 400 verspeiste Esterhazy-Törtchen auf den Catering-Buffets. Dies (und vieles mehr) war K3 - der erste Kongress für Klimawandel, Kommunikation und Gesellschaft am 25. und 26. September in Salzburg.
In den kommenden Tagen werden wir hier auf klimafakten.de noch einige Berichte aus einzelnen Veranstaltungen der Konferenz veröffentlichen. Zum Abschluss am Dienstagnachmittag beantworteten sechs Teilnehmerinnen und Teilnehmern drei Fragen zur Tagung. Auf dem Podium (moderiert von Carel Mohn, klimafakten.de) saßen: Tatiana Herda Muñoz (Klimaschutzmanagerin der Stadt Mainz und Vize-Vorsitzende des Bundesverbandes Klimaschutz, BVKS), Helga Kromp-Kolb (Meteorologin und Klimaforscherin an der Universität für Bodenkultur Wien), Torsten Grothmann (Psychologe an der Universität Oldenburg), Mira Kapfinger (studiert Umweltressourcenmanagement und bloggte von der K3), Alina Ross (studiert Soziologie in Frankfurt/Main) und Christiane Textor (Deutsche IPCC-Koordinierungsstelle). Wir dokumentieren einige ihrer Antworten.
Abschlusspodium der K3-Konferenz (v.l.): Carel Mohn (mit Eisbärin Regine), Tatiana Herda Muñoz, Helga Kromp-Kolb, Torsten Grothmann, Mira Kapfinger, Alina Ross, Christiane Textor; Foto: Eva Freundorfer
Was waren neue Erkenntnisse, was waren Aha-Momente für Sie auf der K3?
Alina Ross: Vieles auf der Konferenz war nicht ganz neu, aber eine Schlüsselerkenntnis habe ich mir trotzdem groß notiert: "Fakten allein reichen nicht". Es genügt nicht, den Menschen zum Klimawandel nur die Erkenntnisse der Wissenschaft zu vermitteln. Man muss sie auf sehr verschiedene Arten und Weisen ansprechen, je nach Zielgruppe, Millieu. Man muss sich bei der Klimakommunikation genau überlegen, wo man die Leute abholen kann, bei welchen Interessen der Menschen man jeweils ansetzen kann.
(Zwischenruf aus dem Publikum: Ich fand das Bild sehr einleuchtend, dass Fakten die Knochen einer guten Geschichte sind. Allein sind sie dürre Skelette, aber ohne sie steht die Geschichte nicht. Wir dürfen jetzt auch nicht vom einen Extrem ins andere fallen - nur Fakten ist sicher zu wenig, aber ohne Fakten geht's auch nicht!)
Christiane Textor: Für die Wissenschaftscommunity ist es sicherlich eine ziemlich neue Botschaft, dass man über die Fakten nicht mehr so viel reden müsse. Und dass man bei einem Vortrag nicht mehr als erstes erläutert, wie unter Forschern ja üblich, wo die Grenzen des Wissens liegen und exakt wie groß die Unsicherheiten der Erkenntnisse noch sind ...
Mir ist der Vortrag von Susanne Moser heute morgen sehr in Erinnerung geblieben. Sie hat ja nochmal darauf hingewiesen, wie dringend die Transformation ist. Die Veränderung nicht nur des Klimas, sondern auch der Gesellschaft - die kommt! Die kommt von allein. Wir können uns halt überlegen, ob wir die Veränderung mitgestalten wollen. Und da gibt es eine ziemlich Wissenskluft: Viele Leute da draußen wissen noch gar nicht, dass überhaupt ein Wandel ansteht.
Mira Kapfinger: Für mich war ein Aha-Moment, dass die Botschaft des 97-Prozent-Konsens' der Klimaforschung ein sogenannter Türöffner sein kann - wenn die Menschen dies verstehen, erhöht das die Aufnahmebereitschaft für andere Informationen und auch den Handlungswillen. Aber klar, nur den Konsens zu kommunizieren, reicht nicht.
Fasziniert hat mich außerdem die Andacht mit den sieben Konfessionen. Dass es zum Beispiel 2015 einen Appell islamischer Gelehrter zum Klimawandel gab, hatte ich zwar damals mitbekommen, aber schon längst wieder vergessen.
Tatiana Herda Muñoz: Ich habe es sehr genossen, mit Menschen zu sprechen, die mich verstehen – denen ich Fachbegriffe wie "Framing", "Nudging" und so weiter nicht erst erklären musste, und dies als echte Community zu erleben. Ich arbeite als Klimamanagerin in einer Kommunalverwaltung - und ich habe mich bewusst dafür entschieden, weil man dort Leute außerhalb unserer grünen Filterblase erreichen kann. Aber es tat auch gut, mal wieder in der Blase zu sein.
Ein Aha-Moment war es, als mir bewusst wurde, wie wenig methodisch fundiert wir in der praktischen Klimakommunikation arbeiten - und wieviel Methodenwissen es längst gibt in der Wissenschaft. Viele Kommunikatoren etwa in Politik oder Werbung nutzen das längst - wir aber komischerweise sehr wenig.
Torsten Grothmann: Meinen Aha-Moment hatte ich gleich am Anfang der Tagung als ich sah: Es klappt. Wir hatten am Anfang ja durchaus Bedenken [Grothmann war Mitglied des K3-Programmbeirats; Anm. d. Red.], ob sich überhaupt genügend Leute für die Konferenz interessieren, ob die Idee funktioniert, Erkenntnisse aus der Wissenschaft an Praktiker zu transferieren und so weiter. Aber dann guckte ich hier in Salzburg am Montagmorgen bei meinem Einführungsvortrag in zufriedene Gesichter...
Sehr berührt hat auch mich der Vortrag von Susanne Moser, ich war schon lange nicht mehr so bewegt. Die Frage, ob wir auch Gefühle zeigen sollen, darüber sollten wir mehr nachdenken. Denn Gefühle haben wir ja natürlich angesichts der Größe der Herausforderungen, um die es beim Klimawandel geht.
Was wollen Sie selbst in Ihrer eigenen Klimakommunikation künftig anders machen?
Helga Kromp-Kolb: Ich werde versuchen, noch stärker als bisher schon den Klimawandel in größere Zusammenhänge zu stellen. Wir sollten das Thema zum Beispiel im Rahmen der UN-Ziele für Nachhaltige Entwicklung ("Sustainable Development Goals") kommunizieren.
Tatiana Herda Muñoz: Ja, genau. Denn wenn man das tut, dann kommt man an ganz andere Akteure heran, die nicht in der Klima-Blase sind. Dann erreicht man in seiner Stadtverwaltung zum Beispiel seinen Sozialdezernenten oder andere Politiker, die sich für soziale Gerechtigkeit interessieren. Man kann über die Bekämpfung von Fluchtursachen in Ländern des globalen Südens reden und und und.
Und ich nehme den Vorsatz mit, dass ich künftig noch viel mutiger an die Klimakommunikation herangehen werde, viel bad-assiger (Gelächter im Saal), das machen andere ja auch. Ich meine damit nicht, dass wir Menschen manipulieren sollten. Oder dass wir zuspitzen oder polarisieren sollten. Aber wir müssen professioneller und instrumenteller denken. Welche Botschaft eignet sich für welche Zielgruppe: Wenn ich eine Mama vor mir habe, dann thematisiere ich den Klimawandel vielleicht bewusst mit Bezug auf ihre Kinder und auf die Vorteile von Klimaschutzmaßnahmen für die Gesundheit.
Mira Kapfinger: Ich hab mir vorgenommen, künftig meinem Gegenüber genauer zuzuhören, stärker versuchen, mich in sie hineinzudenken, herauszufinden, wo die Person steht. Also erstmal zuzuhören und Fragen zu stellen: Warum glaubst Du dies oder das? Warum ist Dir dies wichtig? Und so weiter.
Tatiana Herda Muñoz: Naja, ich mache das längst, ich gehe mit den Gärtnerinnen und Gärtnern ein Bier trinken. Und ich rede natürlich auch mit den AfD-Leuten.
Torsten Grothmann: Sowas ist anstrengend, deshalb machen wir es nicht so oft. Aber es braucht in der Klimakommunikation mehr direkten, persönlichen Dialog, mehr Face-to-Face. Ich glaube nicht, dass über die üblichen Kampagnen viel zu machen ist.
In zwei Jahren soll es eine weitere K3 geben. Welche Themen gehören 2019 unbedingt auf den Tisch?
Christiane Textor: Ich fand das Konzert am Montagabend sehr bewegend und die Andacht am Dienstagmorgen. Solche Formate erreichen den ganzen Menschen.
Mira Kapfinger: Ich habe auf dieser Konferenz oft die konkreten Lösungsvorschläge vermisst, es war manchmal schon ganz schön akademisch. Wir sollten mehr Leute aus der Praxis einladen, aus kleinen Initiativen. Damit wir hinterher hier rausgehen und ein paar Beispiele für konkretes Handeln im Kopf haben.
(Zwischenruf aus dem Publikum: Wir sollten mehr darüber reden, wie wir uns ein attraktives Leben im Jahr 2050 vorstellen. Wie zeichnen wir ein Bild der Zukunft - nicht mit Katastrophenszenarien, sondern so, dass die Leute dahin gehen wollen.)
Helga Kromp-Kolb: Wir sollten mehr über den großen Kontext reden, über wirtschaftliche Zusammenhänge, über Wachstumszwänge, das Geldsystem und so weiter. Auch mich hat der Vortrag von Susanne Moser sehr bewegt. Wir brauchen mehr - im positiven Sinne - Verstörung. Mir war es auf der Konferenz manchmal zu routiniert, mir hat oft das Gefühl von Dringlichkeit gefühlt - also Dringlichkeit, dass sich etwas ändert. Und wenn wir selbst dieses Gefühl nicht haben, wie sollen wir dann überzeugend kommunzieren?
Torsten Grothmann: Wir sollten in den zwei Jahren bis zur nächsten K3 an unserer Community arbeiten, sollten die Energie dieser Tagung nicht verpuffen lassen. Ich habe zum Beispiel mit einigen Leuten aus Berlin, die ich hier getroffen habe, über die Gründung eines Klimakommunikations-Stammtisches nachgedacht. Vielleicht können wir irgendwie online vernetzt bleiben, können vielleicht Diskussionsräume und einen Resonanzboden für die Fragen schaffen, die uns hier beschäftigt haben und die uns ja weiter beschäftigen werden. Zwei Jahre sind jedenfalls sehr lang!
Alina Ross: Wie wäre es mit einer Best-Practice-Datenbank, wo jede und jeder von uns Beispiele hineinschreiben kann, wie man mit bestimmten Zielgruppen am besten kommuniziert?
Torsten Grothmann: Ein wichtiges Thema für die nächste Konferenz ist meines Erachtens, wie man Konflikt als Chance für Veränderung nutzen kann. Also wie man Bedingungen für wirklich konstruktives und produktives Streiten befördern kann.
Tatiana Herda Muñoz: Ich würde mir wünschen, dass wir von der nächsten Konferenz mit konkreten Aufgaben nach Hause gehen - die wir dann zum Beispiel bis zur folgenden K3 alle vor Ort bearbeiten.
Protokoll: Toralf Staud