Als die Wissenschaftshistorikerin Naomi Oreskes von der Harvard University zum ersten Mal nachzählte, kam sie auf hundert Prozent: Kein Fachartikel zum Klimawandel stelle die menschengemachte Erderwärmung infrage, berichtete sie 2004 im Wissenschaftsmagazin Science. Seitdem ist mehrfach und mit unterschiedlichen Methoden ermittelt worden, wie einig sich die Wissenschaft in dieser Sache ist. Es gibt zwar einige methodische Streitpunkte: vor allem die Fragen, ob man auch Forscher aus benachbarten Gebieten als Experten zählt und wie man mit Studien umgeht, die sich in ihrer Zusammenfassung nicht ausdrücklich zu den Ursachen des Klimawandels äußern.

Doch 2016 stellten Naomi Oreskes, der australische Psychologe John Cook und weitere Autoren ähnlicher Einzelstudien in einem gemeinsamen Aufsatz fest, dass es einen Konsens über den Konsens gebe: Alle derartigen Erhebungen hätten innerhalb der Wissenschaft eine Zustimmungsrate von mehr als 90 Prozent zu einem vom Menschen verursachten Klimawandel ergeben.

Eine ganze Reihe von Studien kam in den vergangenen Jahren zu dem Ergebnis, dass eine überwältigende Mehrheit von Klimawissenschaftlern darin übereinstimmt, dass der Mensch die Hauptursache der gegenwärtigen Erderwärmung ist; Grafik: skepticalscience.com

Oreskes, Cook und auch andere Sozialwissenschaftler empfehlen, diesen Forscherkonsens in der öffentlichen Debatte zu betonen, also gezielt sogenanntes "Consensus Messaging" betreiben. Vor allem in den USA, aber auch in vielen anderen Ländern wird die Einigkeit der Experten meist deutlich unterschätzt. Der (falsche) Eindruck von Uneinigkeit führe dazu, dass die Öffentlichkeit bei der Unterstützung klimapolitischer Maßnahmen zögert. In ihrem Buch Die Machiavellis der Wissenschaft hat Oreskes nachgezeichnet, wie einflussreiche Unternehmen seit Jahrzehnten versucht haben, politische Entscheidungen mit dem Argument zu vertagen, man müsse erst noch weiter forschen. Oreskes nennt diese Akteure "Händler des Zweifels" (so auch der englische Originaltitel ihres Buches) und will ihnen mit der Konsens-Botschaft begegnen.

Weil es sich bei der Information über den Konsens um ein Fazit aus jahrelanger und breit angelegter Forschung handelt, habe sie das Potenzial, die Meinung des Publikums zu verändern, argumentierte Oreskes jüngst wieder bei einem Besuch in Deutschland. Das Wissen um den Konsens wirke zudem wie ein "Türöffner", um andere Informationen und Argumente zum Klimawandel an ein skeptisches Publikum zu bringen, argumentieren die Anhänger des "Consensus Messaging".

Zweifel am Klimawandel resultieren nicht aus Mangel an Informationen

Doch einige Forscher warnen davor, in der Kommunikation zu sehr auf den Konsens abzustellen. Der Streit wurde in den vergangenen Monaten in verschiedenen Fachzeitschriften ausgetragen. Auch auf der K3-Konferenz im vergangenen September in Salzburg war er zu besichtigen: Während der Psychologe Stephan Lewandowsky in seinem Vortrag zur Betonung des Konsens' riet, warnte der Humangeograf Mike Hulme ausdrücklich davor.

Kritiker wie er sehen im "Consensus Messaging" eine Variante des eigentlich widerlegten Informations-Defizit-Modells der Wissenschaftskommunikation, das unerwünschte politische Einstellungen auf fehlende Sachkenntnis zurückführt. Im Unterschied zu diesem betont etwa Dan Kahan von der Yale University, einer der Wortführer des Contra-Lagers, durch das Äußern von Zweifeln am Klimawandel würden Menschen vor allem ihre Identität pflegen, ihre konservative Grundhaltung deutlich machen. Das heiße jedoch nicht, dass sie sich gegen alle Maßnahmen zum Klimaschutz oder zur Anpassung an den Klimawandel sträuben würden, argumentiert er. Hebe man den Konsens der Forschung zu stark hervor, so die Kritiker, erzeuge man bei den Zweiflern das Gefühl, sie würden in die Ecke gedrängt – letztlich verstärke sich ihre Ablehnung nur noch.

Wirkt die Klimakonsens-Botschaft denn überhaupt? Ja, durchaus ...

Praktiker der Klimakommunikation verfolgen diesen Streit etwas ratlos und fragen sich: Was stimmt denn nun? Als erstes fällt auf, dass beide Seiten Recht haben könnten – ihre Thesen schließen sich nicht aus. Das führt zu der Frage: Verfängt die Klimakonsens-Botschaft überhaupt? In einer Zusammenfassung von vielen Umfragen und wissenschaftlichen Studien hat der australische Psychologe Matthew Hornsey ermittelt, dass Menschen, die von einem Konsens der Klimaforscher ausgehen, typischerweise auch selbst glauben, dass es einen Klimawandel gibt. Doch dieser statistische Zusammenhang sagt noch nichts darüber aus, ob sich zweifelnde Menschen durch "Consensus Messaging" überzeugen lassen.

Das dafür nötige Experiment hat ein Team um den Psychologen Sander van der Linden durchgeführt, der heute an der University of Cambridge forscht. 1.104 US-amerikanische Probanden wurden am Anfang und am Ende des Versuchs gefragt, wie hoch sie die Übereinstimmung der Klimaforscher einschätzen. Bei den Versuchspersonen, die während des Experiments keine Informationen zum Klimakonsens erhielten, änderte sich natürlich wenig. Die Aufmerksamkeit richtete sich auf jene, denen – mit dem Logo der US-Wissenschaftsorganisation AAAS – die Botschaft vermittelt wurde, dass 97 Prozent der Forscher zum Ergebnis gekommen seien, der vom Menschen verursachten Klimawandel sei eine Tatsache. Um die Probanden abzulenken, mussten sie erst einen Fragebogen ausfüllen, der sie zu anderen politischen und gesellschaftlichen Themen befragte, bevor es zum Schluss des Experiments wieder um den Klimawandel ging. Dann zeigte sich: Die Konsens-Botschaft erhöhte die Einschätzung der Probanden zum wissenschaftlichen Konsens von durchschnittlich 67 auf 80 Prozent – ein deutlicher Erfolg.

... aber man sollte ihre Wirksamkeit auch nicht überschätzen

In weiteren Studien haben Psychologen den Effekt genauer untersucht und zum Beispiel festgestellt, dass es besser ist, den Konsens als Prozentzahl zu beziffern, als ihn mit den Worten "eine überwältigende Mehrheit" zu umschreiben. Es empfiehlt sich demnach auch, die Botschaft kurz und knackig zu vermitteln. Dass die Probanden dem "Consensus Messaging" verweigern und negativ darauf reagieren, wie es manche Kritiker vermuten, wurde indes nicht belegt.

Doch den Konsens der Klimaforscher zu kennen, ist nur ein erster Schritt. Begraben die Probanden durch die Information auch ihre eigenen Zweifel am Klimawandel? Hier fallen die Resultate im erwähnten Experiment von Sander van der Linden schwächer aus: Der Anteil der Probanden, die den vom Menschen verursachten Klimawandel als Fakt akzeptieren, stieg durch die Konsens-Botschaft lediglich von 64 auf 68 Prozent. Bei der Frage, ob sich die Versuchspersonen für politisches Handeln in Sachen Klimaschutz aussprechen, war der Anstieg sogar kaum messbar. Erst in einer zweiten Studie (die mit 6.300 Teilnehmern deutlich größer angelegt war) fanden van der Linden und sein Team einen zwar kleinen, aber signifikanten Effekt. Die Wirkung der Konsens-Botschaft ist also vorhanden – man sollte sie jedoch auch nicht überschätzen.

Einig sind sich die Kontrahenten, dass mehr Klimaschutz nötig wäre

Wenn aber die Konsens-Botschaft einen Effekt hat und sonst keinen Schaden anrichtet, kann man fragen: Warum überhaupt wird so heftig darüber diskutiert? Der eigentliche Streitpunkt liegt weniger in der Psychologie als vielmehr in der Bewertung der aktuellen politischen Diskussion. Anhänger wie Kritiker des "Consensus Messaging" sind sich darin einig, dass der Klimaschutz nicht schnell genug vorankommt. Doch die Diagnosen und Therapien unterscheiden sich: Oreskes, Cook & Co. halten die Konsens-Botschaft für notwendig, weil die politische Debatte sonst nicht vorankomme; sie wollen den "Händlern des Zweifels" also offensiv entgegentreten. Hulme, Kahan & Co. hingegen halten die Beschäftigung mit ihnen und den Folgen ihrer Desinformationskampagnen für Zeitverschwendung – und sehen andere Dinge als wichtiger an.

Vor einigen Jahren fragte der Politologe Daniel Sarewitz von der Arizona State University, warum man überhaupt noch mehr Menschen von der Gefahr des Klimawandels überzeugen wolle. In der Politik genüge doch eine Mehrhei t - und selbst in den USA sieht eine Mehrheit der Bevölkerung den Klimawandel als Bedrohung an. Wenn sich trotzdem politisch zu wenig bewegt, kann das daran liegen, dass das Thema nicht richtig angepackt worden ist. Schließlich bedeutet eine Mehrheit für ein bestimmtes Anliegen noch nicht, dass sich in der realen Politik etwas ändert. Das Steuerrecht halten zum Beispiel die meisten Menschen für unnötig kompliziert, ohne dass Abhilfe in Sicht wäre.

Nun sind die Fragen, die für eine erfolgreiche Klimapolitik verhandelt werden müssen, ebenfalls schwierig: Man muss die globalen Ziele auf lokale Projekte herunterbrechen, man muss die Wirtschaft einbeziehen, und man muss benachteiligten Menschen helfen, um nur einige Fragen anzudeuten. Der britische Kommunikationswissenschaftler Warren Pearce warf kürzlich mit einigen Kollegen Oreskes und Cook vor, mit der Konsens-Botschaft von diesen konkreten Fragen der Klimapolitik abzulenken. Cook konterte, dass ein Verzicht auf die Konsens-Botschaft den Desinformanten in die Hände spiele – und er im übrigen nicht für ein Entweder-Oder plädiere, sondern die Konsens-Botschaft für ihn ein "Sprungbrett" sei, um anschließend andere Fragen überhaupt diskutieren zu können.

Der Streit ums Consensus Messaging ist eher politisch als wissenschaftlich

Beide Seiten zitieren historische Fälle, um ihre Analyse der aktuellen Situation zu stützen. Doch die Debatte ist letztlich nicht akademisch, sondern politisch: Hier geht es nicht um die richtigen wissenschaftlichen Schlussfolgerungen – hier ringen vielmehr Klimakommunikatoren um die richtige Strategie. Die eine Seite will die Einsicht fördern, dass der Klimawandel eine ernste Bedrohung darstellt, weil sonst die politische Kraft nicht ausreicht, um die Herausforderung anzugehen. Die andere Seite will sich auf die praktischen Probleme des Klimaschutzes konzentrieren und hofft, durch einen intensiveren Austausch hierzu unter allen Beteiligten die politische Blockade zu überwinden.

Welche Strategie die bessere ist, mag jeder für sich selbst entscheiden. Allerdings wäre es durchaus an der Zeit, Praktiker der politischen Kommunikation hinzuzuziehen und aus dem Kommunikationslabor hinauszutreten in den Raum realer politischer Diskurse.

Alexander Mäder