Sebastian Herrmann arbeitet als Redakteur im Ressort Wissen der Süddeutschen Zeitung. Dort schreibt er vor allem über Themen aus der Psychologie, insbesondere über die Frage, warum Menschen glauben, was sie glauben. Zu dem Thema hat er auch zwei Bücher geschrieben "Gefühlte Wahrheit. Wie Emotionen unser Weltbild formen" (Aufbau, 2019) und "Starrköpfe überzeugen. Psychotricks für den Umgang mit Verschwörungstheoretikern, Fundamentalisten, Partnern und ihrem Chef" (Rowohlt, 2013)
Zu den lästigen Standardeinstellungen von Familienmitgliedern zählt, dass sie sich weder stummschalten noch neu konfigurieren lassen. Man ist ihnen ausgeliefert. Müttern, Vätern und Geschwistern sowieso; aber zu besonderen Anlässen auch der erweiterten Familienbande aus Onkeln, Tanten, Cousins, Cousinen und weiteren Menschen, die man zwar nicht kennt, die einem aber als Verwandte vorgestellt werden.
Auf solchen Zusammenkünften der eher weit gefassten Verwandtschaft kann man schon mal die Fassung verlieren: Den Macken der Kernfamilie begegnet man noch mit routinierter Genervtheit. Mit den überraschenden Absonderlichkeiten von Onkeln oder Tanten muss man hingegen erst einmal umgehen – denn einfach abzuhauen, würde zu viel sprichwörtliches Familienporzellan zerdeppern.
So kann es sich also ergeben, dass die Sitzordnung eines Familienfestes einen neben Onkel Ludwig oder Tante Elisabeth platziert, die natürlich an dieser Stelle nur hypothetische Figuren sind und deren Namen auch zufällig gewählt sind. Jedenfalls halten diese beiden dann einen ebenso langen wie lauten Vortrag darüber, dass es den menschengemachten Klimawandel ja gar nicht gebe, all die Gutmenschen schlimm seien und Jugendliche freitags gefälligst in die Schule statt zum Demonstrieren gehen sollen. Der exakte Inhalt dieses Monologs spielt hier keine besondere Rolle, in aller Regel kommen darin bekannte Begriffe wie "Lüge", "Staatspresse", "natürliche Prozesse" oder gar "Verschwörung" vor – die Satzbausteine sind bekannt.
An dieser Stelle geht es stattdessen um die Frage: Wie kann oder soll man reagieren, wenn Onkel, Tanten oder andere Menschen das Lied von der großen Klimaverschwörung singen? Gibt es Möglichkeiten, Fakten erfolgreich zu verteidigen, Unwahrheiten zu entlarven und womöglich die Klimaleugner in der Verwandtschaft von der überaus unangenehmen Wahrheit der globalen Erwärmung zu überzeugen? Um es vorwegzuschicken: Ein Patentrezept existiert leider nicht. Jedoch besteht die Möglichkeit, einige Fehler zu vermeiden, Fallstricke zu bedenken und die Erwiderungen an die bockige Verwandtschaft geschickter zu verpacken.
Hier also ein paar Handreichungen für den gelassenen Umgang mit Klimaleugnern in der eigenen Familie - und darüber hinaus.
1. Geht es hier wirklich um Fakten?
Die selbstgestellte Falle schnappt immer wieder zu: Wann immer möglich, klatscht man dem Gegenüber gern mit Verve die – aus der eigenen Sicht – ultimative Studie zum Thema vor den Latz. "Ha", denkt man dann siegesgewiss: "Das wird ihn überzeugen! Das ist das alles entscheidende Argument!" Und dann? Dann prallt die Studie einfach an den inneren Sperrwerken des anderen ab, sie interessiert ihn gar nicht, er erzählt seinerseits von irgendwelchen Studien, die ihm in den Kram passen. Und einem selbst klappt erstmal konsterniert die Kinnlade herunter. Wie kann das sein?
Lange Zeit glaubten viele an das sogenannte Informations-Defizit-Modell: Ihm zufolge glauben Menschen an Unwahrheiten oder sträuben sich gegen Fakten, weil sie einfach nicht über alle relevanten Informationen verfügen. Das klingt auch einleuchtend: Wenn man nicht alles weiß, ist es auch schwerer, Fakt von Fiktion zu unterscheiden. Wenn die Menschen nur alles wüssten, dann würde es sich schon zum Besseren wenden, so die Überzeugung – Bildung, Bildung, Bildung!
Nach und nach aber mussten Psychologen einsehen, dass es Meinungen von Menschen nicht maßgeblich beeinträchtigt, wenn man sie mit Fakten versorgt. Informationsdefizite aufzufüllen, änderte in Studien die Haltung der Teilnehmer zu umstrittenen Themen so gut wie gar nicht.
Wie kann oder soll man reagieren, wenn Onkel oder Tanten Geschwister oder Freunde das Lied von der großen Klimaverschwörung singen? Foto: Pixdeluxe/iStock
Illustrieren lässt sich das an einem Beispiel aus einem weiteren, leidenschaftlich umstrittenen Themenbereich: In Umfragen in europäischen Ländern zeigte sich regelmäßig, dass der Anteil von Menschen mit Migrationshintergrund an der jeweiligen Gesamtbevölkerung meist dramatisch überschätzt wird. Was passiert nun, wenn man die Probanden über den tatsächlichen Anteil aufklärt? Ändern diese korrekten Zahlen zum Beispiel gewisse Ängste oder fremdenfeindliche Einstellungen? Natürlich nicht. Diese speisen sich aus Gefühlen, aus Emotionen – nicht aus Fakten. Da haust also irgendwo ein Unbehagen, das von Fakten und Informationen unbeeinträchtigt bleibt. Dasselbe gilt im Fall der Klimathematik. Es sind diese Emotionen, dieses Unbehagen, mit dem man es zu tun hat. An diese Gefühle muss man als motivierter Debattenteilnehmer heran, wenn man etwas erreichen möchte.
Fazit: Nur Fakten aufzuzählen, wird die Meinung der klimaleugnenden Verwandtschaft nicht drehen. Man muss an die Emotionen rühren. Trotzdem bleiben Fakten relevant: Es ist natürlich wichtig, sich selbst halbwegs auszukennen, weil die lauten Onkel und Tanten sonst triumphierend über einen herfallen werden und jede Lücke genüsslich zerpflücken.
2. Ich will das aber glauben!
Das Buffett ist fast leer, zwei letzte Speisen liegen dort noch: ein Grünkernbratling und ein fluffiger Pfannkuchen mit Ahornsirup. Wozu greifen die meisten Menschen? Was für eine Frage! Der Bratling ist vernünftig, aber eine geschmackliche Zumutung, der süße Pfannkuchen nicht vernünftig, dafür eine absolute Verführung.
Vielleicht ist es hilfreich, sich Informationen ähnlich vorzustellen. Es gibt Aussagen, denen will man gern glauben, die sind lecker. Und dann sind da Informationen, bei denen man sich fragt: Muss ich das wirklich glauben? Der Klimawandel ist in diesem Fall der Bratling: eine wirklich unangenehme, beängstigende, schreckliche Wahrheit. Die Apokalypse steht vor der Tür, und dafür soll man verzichten – auf Autos, auf Reisen, auf Fleisch und zig andere Dinge, die das Leben bequem und angenehm machen.
Die Gegenerzählung schmeckt hingegen süß wie ein Pfannkuchen mit Ahornsirup: Stimmt ja gar nicht! Alles Panikmache! Kein Grund, Angst zu haben! Ich kann weitermachen wie bisher! Mit anderen Worten: Menschen haben oft ein Motiv, den Klimawandel zu leugnen: die eigene Angst. Wer die Existenz einer Bedrohung negiert, nimmt ihr den gefühlten Schrecken, wenn auch nur für den Moment.
Fazit: Klimaleugner haben in der Regel ein (unbewusstes) Motiv für ihre Haltung. Das sollte einem bewusst sein, wenn man mit lauten Onkels und Tanten debattiert. Statt apokalyptischer Endzeitvisionen sollte man deshalb versuchen, die Herausforderung Klimawandel als Chance zu verkaufen – also die bittere Wahrheit sprichwörtlich mit etwas süßer Soße schmackhafter machen.
3. Bleibe gelassen und freundlich
In den sogenannten Sozialen Netzwerken trommelt ein ununterbrochenes Feuer an Beleidigungen und Belehrungen. Da verschanzen sich die Schreihälse in ihren Schützengräben, kuscheln sich in das Gefühl, jeweils auf der richtigen Seite zu stehen und überziehen einander mit Vorwürfen. Als Beobachter ist es da an der Zeit, einige klare Fragen zu stellen: Wie viele Menschen gewinnt man für sich, indem man sie beschimpft? Wie viele Klimaleugner überzeugt man vom Gegenteil, indem man sie Deppen nennt? Wie viele Herzen fliegen einem zu, wenn man sich moralisch über andere Menschen erhebt? Die Antwort ist sonnenklar: Selbstverständlich gewinnt man niemanden, wenn man wütend schreit.
Wer wirklich überzeugen möchte, der sucht nach Gemeinsamkeiten. Der versucht, eine Basis des Vertrauens herzustellen und betont zum Beispiel auf bewegende Weise, dass man zusammengehöre, ähnliche Ängste habe und gern helfen will, dass das gemeinsame Boot nicht absäuft. So nervig die erweiterte Familie auch sein mag, sie stellt in diesem Szenario eine Basis dar, auf der sich eine fruchtbare Diskussion entwickeln könnte. Schließlich ist man miteinander verwandt und teilt allein dadurch etwas.
Es gilt: Stets freundlich und gelassen bleiben, so schwer das auch ist. Denn Geschrei führt nicht ans Ziel, sondern entfernt Menschen und Meinungen noch weiter voneinander; Foto: Simon/iStock
Es ist also klug, gelassen und freundlich zu bleiben, wenn man bei einem Familienfest mit klimaleugnenden Onkeln, Tanten oder bei Partys mit entsprechenden Freunden diskutiert. Vielleicht ist es ein wenig, wie in einer Ehe oder langjährigen Partnerschaft: Einen Streit überwindet man ja auch nicht, weil einer plötzlich einsieht, dass er alles falsch macht. Stattdessen verziehen sich die dunklen Wolken irgendwann, weil die gemeinsame Liebe eine Basis ist, weil man sich doch nach Nähe sehnt, weil man zusammengehört und man diese Grundlage wiederherstellen möchte. Die inhaltliche Ebene folgt, langsam und langfristig zwar, aber sie folgt in kleinen Schritten.
Man kann jedenfalls nicht diskutieren oder jemanden überzeugen, wenn man einander nicht ausstehen kann – und wenig hassen Menschen mehr, als die moralische Verurteilung durch andere.
Fazit: Freundschaft hat die Kraft, Meinungen zu verändern. Deswegen gilt es, stets freundlich und gelassen zu bleiben. So schwer das auch ist. Geschrei jedoch führt nicht ans Ziel, sondern entfernt Menschen und Meinungen noch weiter voneinander.
4. Stimmt nicht, reicht nicht
Gelegentlich bleibt einem die Luft weg, wenn intelligente Menschen die wildesten Behauptungen raushauen. Geschichten über große Verschwörungen – sie sind im Kontext des Klimawandels ja oft zu hören – sind in der Regel bizarre Räuberpistolen, teils mit Aspekten, die selbst in Groschenromanen überzogen wären. Noch schwerer ist es aber, mit Halbwahrheiten umzugehen, in denen oft sogar mehr als ein Fünkchen Realität enthalten ist, die unterm Strich aber doch falsch oder zumindest irreführend sind. So oder so: Unwahrheiten müssen als solche in einer Diskussion benannt und zurückgewiesen werden.
So weit, so banal. Es folgt das Aber: Damit ist es nicht getan. Es reicht nicht, Fehlinformationen als solche zu kennzeichnen. Denn sie sind dann immer noch da, quasi auf der internen Festplatte der Zuhörer gespeichert, und von dort aus kriechen sie langsam zurück. Dass sie mit dem Label "falsch" versehen wurden, verblasst langsam. Sie bleiben als vage Erinnerung im Kopf, der Kontext verblasst. Wie war das noch mal? Wo habe ich das gelesen?
Psychologen haben dieses Phänomen "belief perseverance" getauft – ein sperriger Fachbegriff, für den es keine richtige deutsche Übersetzung gibt. In zahlreichen Studien haben diese Forscher also festgestellt, dass Menschen zum Beispiel auf Erklärungen zurückgreifen, von denen sie selbst wissen, dass sie falsch sind. Die Quintessenz dieser Studien lautet, dass man alternative Erklärungen bieten muss, um Fehlinformationen nachhaltig zu bekämpfen. Um einen Angeklagten wirklich von aller Schuld zu befreien, muss der wahre Täter gefunden werden. Um einen falschen Zusammenhang zu entkräften, muss der tatsächliche Zusammenhang erzählt werden, damit er die Leerstelle der widerlegten Falschinformation füllen kann – und zwar anschaulich und lebendig.
Fazit: "Stimmt nicht", zu brüllen reicht nicht. Es ist wichtig, eine Gegenversion der Dinge zu schildern und zu entwerfen. Menschen lieben Erklärungen und hassen Ungewissheit. Und eine falsche Erklärung finden sie immer noch besser als gar keine.
5. Erzähle eine Geschichte
Die Maßeinheit ppm oder das berühmte Zwei-Grad-Limit: Was bedeutet das eigentlich? Wie kann man das fühlen? Und ist das irgendwas Schönes? Die Diskussion über die Klimawandel und über dessen Folgen krankt auch daran, dass es so schrecklich schwer ist, die vielen abstrakten Daten, Fakten und Überlegungen in eine spannende Geschichte zu packen. Das aber muss geschehen, um zweifelnde Onkel, Tanten und andere Leute zu erreichen. Der Mensch ist ein Geschichtenwesen. Seit Anbeginn der Sprache haben sich unsere Vorfahren die Welt in Form von Märchen, Erzählungen, Liedern und Geschichten erklärt. So ist das auch heute, und das steht nüchternen Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern oft im Weg.
Anekdoten seien keine Daten, aus Einzelbeobachtungen lasse sich nichts ablesen, sagen sie dann. Zu Recht. Doch um Menschen zu berühren, muss man ihnen Geschichten erzählen – am besten solche, die zu den Daten passen.
Zäumen wir das Pferd also andersherum auf: Daten müssen zu Anekdoten werden. Erzählen wir unseren Onkeln und Tanten Geschichten spannender Einzelschicksale, von gewagten Lösungsansätzen, von großen Ideen und gemeinsamen Visionen, statt auf Dingen wie dem Zwei-Grad-Limit oder Ähnlichem herumzureiten.
Denn auch das muss dem ehrlichen Diskutanten klar sein: Er tritt mit seinen Argumenten gegen Geschichten an, die meist ziemlich eingängig sind. Genau das sind die meisten Verschwörungstheorien und auch die milderen Varianten der Leugnung. Sie verwenden eine der ältesten und wirksamsten Formen von Erzählungen: Ein Bösewicht (die Eliten, irgendeine andere finstere Macht) wirft eine dunkles Netz an Lügen (Klimawandelgeschichte) aus, um die Menschheit zu unterjochen (sie wollen Geld verdienen), aber nur eine kleine Minderheit an besonders schlauen Menschen (klar, da gehöre ich dazu) kommt ihnen auf die Schliche. Dagegen ist mit Zahlen nicht anzukommen, es braucht Geschichten.
Fazit: Wir sollten Geschichten erzählen und auf Anekdoten setzen, um Klimawandelleugner (und auch andere Menschen) zu gewinnen. Idealerweise sind das Geschichten, die zu den Daten passen, und in denen es Bösewichte sowie Helden und ein Happy End gibt.
6. Stelle Fragen
Wer Kinder hat, kennt die Warum-Fragen, die einen oft an den Rand der Verzweiflung bringen. Diese Verzweiflung speist sich zum einen daraus, dass die Fragen einfach nicht mehr aufhören; viel schmerzhafter aber ist es, dass viele dieser Wissbegierden einen schlicht an die Grenze bringen. "Papa, warum ist der Himmel blau?" Ja weil, äh, wie erklärt man das nun einem Fünfjährigen und wie war das noch mal genau?
Fragen verfügen oft über mehr Kraft als Antworten – und das nutzen wir für die Diskussion mit unseren mittlerweile bekannten nervigen Verwandten. Statt ihnen nur zu widersprechen, haken wir nach, fragen nach Details, bitten um Erklärungen. Wenn der Onkel oder die Tante (keines der Geschlechter hat ein Monopol auf die Verbreitung von Unfug) zum Beispiel mal wieder darüber redet, dass die Medien alle gelenkt und bezahlt würden, um die Mär vom Klimawandel zu verbreiten, dann fragen wir mal nach. Wie funktioniert das denn eigentlich? Wer gibt den Auftrag? Wer legt fest, wie die Botschaft genau ausformuliert wird? Wer bezahlt wen, woher stammt das Geld eigentlich, und so als Journalist, wo beantragt man denn diese Gelder? Wie organisiert man eigentlich eine weltweite Verschwörung, so dass die ganze Welt daran glaubt und so gut wie niemand ausschert?
Wilde Behauptungen kontert man gut durch hartnäckige Rückfragen. Je selbstgewisser jemand eine Haltung zu einem komplexen Zusammenhang äußert, desto penetranter fragen wir nach Details; Foto: FGTrade/iStock
Dabei ist es wichtig, immer am Ball zu blieben, oder besser gesagt, immer weiter in die Waden zu zwicken. Das wird Onkeln und Tanten zusetzen, wie ein Trommelfeuer aus kindlichen Warum-Fragen. Und das Konzept ist sogar wissenschaftlich überprüft: Wenn Probanden starke Meinungen kundtaten zum Beispiel zu Steuersystemen oder andere elend komplizierte Angelegenheiten und sich in der Befragung als sehr kompetent bezeichneten, dann konnte man ihre Gewissheit dadurch erschüttern, dass man sie das Steuersystem etc. genau erklären ließ. Sie merkten dann plötzlich, wie wenig sie tatsächlich wussten. Die Sache hat aber auch einen Haken: Die ständigen Nachfragen schlagen auf die Laune der Gelöcherten, besonders wenn man sie an die Grenzen ihres Wissens führt. Mit anderen Worten: Die Onkel und Tanten werden irgendwann recht wütend sein.
Fazit: Wilde Behauptungen verlangen hartnäckige Rückfragen. Je selbstgewisser jemand eine Haltung zu einem komplexen Zusammenhang äußert, desto penetranter fragen wir nach Details. Aber Achtung: Vielleicht sollte das erst gegen Ende eines Abends geschehen, denn es wird der Laune nicht guttun.
7. Mit wem sprechen wir eigentlich?
Im Frühjahr 2020 war der Klimawandel erst einmal abgesagt. Nein, natürlich nicht, aber er hatte in der Corona-Pandemie keinen Platz mehr im schmalen Fenster der kollektiven Aufmerksamkeit. Jedoch lieferte diese Zeit wertvolle Einsichten für den Umgang mit Klimawandelleugner: Auch im Fall von Covid-19 waren die Menschen plötzlich mit einem abstrakten Feind, mit Ungewissheit sowie Ohnmacht konfrontiert, und viele flüchteten sich in Verschwörungsmythen. Zu besonderer Aluhut-Prominenz schaffte es der Vegan-Koch Attila Hildmann, der eine Mischung aus antisemitischen Verschwörungen, Mobilfunkpanik, Impfgegnergeschichten und anderen vollkommen wilden Dingen verbreitete.
Kann man Betonköpfe wie ihn überzeugen? Kann man sie argumentativ erreichen? Ein klares: Nein. Worum es aber geht: Figuren wie Hildmann das Publikum auszuspannen beziehungsweise dafür zu sorgen, dass Zweifler und Unentschiedene nicht auf seine Seite rutschen und sich ebenfalls in Verschwörungsdenken verschanzen.
Das gilt auch für unser hypothetisches Familientreffen: Sagen wir, Onkel Ludwig und Tante Elisabeth sind unverbesserlich, alle wissen, dass sie so ticken und denken. Nichts kann sie erschüttern, nichts kann sie von ihrem Weg abbringen, jedes Wort prallt an ihnen ab. Und doch ist es wichtig, mit den beiden in den argumentativen Ring zu steigen.
Warum? Weil es gar nicht um sie geht, sondern um alle anderen, die ebenfalls am Tisch sitzen und zuhören. Wer kommuniziert, sollte sich stets fragen, an wen er sich richtet, wer das Publikum ist. Wer sich also auf einem Familienfest mit verbohrten Hardlinern auseinandersetzt, hat nicht deren Überzeugung zum Ziel. Das wäre zu hoch gegriffen. Er kämpft vielmehr dafür, dass die Betonköpfe nicht noch mehr Leute am Tisch auf ihre Seite ziehen. Es geht darum, der Verführungsmacht der Klimaleugnung etwas entgegenzusetzen, um die unsicheren Geister nicht zu verlieren.
Fazit: Wer es mit unverbesserlichen Betonköpfen zu tun hat, diskutiert dennoch, auch wenn er diese niemals von ihrer Version der Wahrheit abbringen wird. Denn er richtet sich in Wahrheit an all jene Zuhörer, die noch unentschieden sind und für Unwahrheiten eventuell empfänglich sein könnten. Wer kommuniziert, sollte sich immer fragen: Mit wem bzw. für wen eigentlich?
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