Fast so alt wie der IPCC ist die Klage über eine Unlesbarkeit seiner Berichte - inzwischen wurde sogar wissenschaftlich erforscht, wie schwer verständlich die Publikationen des Weltklimarats sind. Auch sind Forscherinnen und Forscher immer wieder frustriert, wenn sie in Medien und der Öffentlichkeit neben spektakulär klingenden, aber wenig fundierten Wortmeldungen von Laien oder politischen Akteuren verblassen.
Ein 28-seitiges Handbuch soll die Lage nun ändern: In kompakter Form hat der IPCC - bzw. die Geschäftsstelle seiner Arbeitsgruppe 1 (AG1) - sechs "Prinzipien für wirksame Kommunikation und öffentliches Engagement zum Klimawandel" vorgelegt. Erarbeitet wurde die Broschüre von einem Autorenteam um Adam Corner, den Forschungsdirektor des britischen Think Tanks Climate Outreach. "Eine der besten Publikationen, die zu diesem Thema geschrieben wurden", lautet das überschwängliche Lob des linksliberalen US-Webportals ThinkProgress.
In einem anderthalbminütigen Video sind die sechs Ratschläge des Handbuches zusammengefasst; Quelle: Climate Outreach/IPCC
Das Handbuch richtet sich in erster Linie an IPCC-Autorinnen und -Autoren, sie sollen sich für öffentliche Auftritte besser vorbereiten können. Aber, so IPCC-Sprecherin Roz Pidcock, die Broschüre solle auch allen anderen Wissenschaftskommunikatoren dabei helfen, "so effektvoll, wirksam und faktenbasiert wie möglich" aufzutreten.
1. Sei selbstbewusst!
Der Ratgeber beginnt mit einer Portion Mutmachen: In der breiten Öffentlichkeit genieße die Wissenschaft nach wie vor hohes Ansehen - darauf könnten Forscherinnen und Forscher aufbauen. Wichtig sei es aber, bei öffentlichen Erklärungen die eigene Rolle klar und transparent zu machen. Wenn man für den IPCC (oder andere Institutionen) auftrete, sei zum Beispiel mehr Zurückhaltung nötig als bei persönlichen Statements.
Es spreche auch prinzipiell nichts dagegen, als Wissenschaftler über (politische) Implikationen von Forschungsergebnissen zu sprechen oder über Schlussfolgerungen etwa für sinnvolle Klimaschutzmaßnahmen, die man selbst aus Forschungsergebnissen zieht. "Wichtig ist es aber, die verschiedenen Ebenen - faktische Befunde und die Folgerungen daraus - deutlich zu trennen."
2. Sprich über die echte Welt, nicht abstrakte Vorstellungen
In der Wissenschaft gibt es kaum etwas Wichtigeres als Zahlen und Daten - in Sachen Klimawandel zum Beispiel das "Zwei-Grad-Limit" oder die atmosphärische CO2-Konzentration, üblicherweise angegeben in ppm (parts per million). "Doch diese 'großen Zahlen' haben keinen Bezug zu Alltagserfahrungen", mahnt das Handbuch. Ein häufiger Effekt sei daher eine "psychologische Distanzierung" - also der Eindruck, Klimawandel sei ein Problem, das nur anderswo oder irgendwann in der Zukunft relevant sei. Daraus folgt der Rat: "Beginne ein Gespräch über das Klima auf gemeinsamem Boden, verwende eine klare Sprache und Beispiele, mit denen Dein Publikum etwas anfangen kann."
Einige empfehlenswerte Metaphern und Analogien nennt das Handbuch explizit: So könne man die Atmosphäre und Treibhausgasemissionen zum Beispiel anschaulich mit einer Badewanne vergleichen, in die Wasser einläuft. Damit werde zum einen klar, dass die Zuläufe einer nach dem anderen verringert werden müssen, um ein Überlaufen zu verhindern - aber auch, dass selbst bei sofortigem Stopp aller Emissionen die Badewanne immer noch ziemlich voll wäre. Genauso verbleiben die bisher ausgestoßenen Treibhausgase (erst einmal) in der Atmosphäre und haben weiterhin eine Wirkung, etwa ein zeitverzögertes Ansteigen der Meeresspiegel.
3. Knüpfe an Dinge an, die Deinem Publikum wichtig sind
Dieser Ratschlag bezieht sich gleich auf zwei Ebenen: jene der persönlichen Nähe und jene der Werte. Zum einen solle man sich - banal gesagt - überlegen, wo man spreche. Denn lokale oder konkrete Beispiele bereits sichtbarer oder zu erwartender Klimaveränderungen interessieren die Zuhörer mehr als irgendwelche abstrakte Daten oder globale Durchschnittswerte. "Wenn Du zum Beispiel vor Hobbygärtnern redest, dann sprich über die Verschiebungen bei den Vegetationsperioden, die sie zweifellos schon bemerkt haben werden."
Zum anderen sei es aber auch wichtig, das Denken und Fühlen der Zuhörer im Blick zu haben. "Die Forschung zeigt schlüssig, dass die Werte und politischen Ansichten von Menschen einen größeren Einfluss haben auf ihre Einstellung zum Klimawandel als ihr Wissensniveau." Es sei deshalb sinnvoll, an Werte anzuknüpfen, die in der Gesellschaft weit verbreitet sind - wenn es um Emissionssenkungen geht, etwa an die Maxime der Sparsamkeit. Hingegen appelliere ein Aufruf, die Umwelt zu schützen, an Werte, die weniger breit (und eher in der politischen Linken) geteilt werden.
4. Erzähle eine menschliche Geschichte
"Die meisten Menschen verstehen die Welt eher durch Anekdoten und Geschichten als durch Statistiken und Diagramme", heißt es in dem Ratgeber. Deshalb sei es hilfreich, sich in Reden "um eine erzählerische Struktur zu bemühen und das menschliche Gesicht hinter der Wissenschaft zu zeigen." Zum Beispiel sollten Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler deshalb auch bewusst über sich sprechen, ihre Biographie, ihre Motivation im Beruf, ihre Gefühle.
Das Handbuch beschränkt sich nicht auf den (schon öfter gehörten) Rat, mehr auf "Storytelling" und "Narrative" zu setzen - sondern liefert dazu auch konkrete Beispiele und praktische Umsetzungshinweise. Wolle man seiner Botschaft die Form einer Geschichte geben, heißt es da etwa, solle man sich an die vom US-Filmemacher Randy Olson geprägte "ABT-Struktur" halten - die deutsche Version wäre eine "UAD"-Struktur, nämlich ein Aufbau in drei Stufen mit einem "Und-Teil", einem "Aber-Teil" und einem "Deshalb-Teil" (siehe folgende Abbildung).
In etlichen kompakten Kästen liefern die Autoren des Handbuches praktische Beispiel für Ihre generellen Tipps - hier die Umsetzung des Ratschlags, persönliche Geschichten einzusetzen: Chris Shaw von Climate Outreach erzählt, wie er speziell als Vater von zwei Jungs sich mit dem Klimawandel beschäftigt; Grafik: Climate Outreach/IPCC
5. Beginne mit dem, was Du weißt
Für seriöse Wissenschaftler ist bekanntlich wichtig, zu ihren Aussagen und Befunden jeweils die Bedingungen zu nennen, unter denen sie gelten, oder explizit Unsicherheitsmargen zu nennen. In der Öffentlichkeit komme diese Konvention aber ganz anders an, warnt die Broschüre: Nicht geschulte Zuhörer gewinnen den Eindruck, die Forschung wisse nichts Genaues. Das Handbuch leitet daraus (natürlich) nicht den Ratschlag ab, Unsicherheiten und Ungewissheiten zu verschweigen. Jedoch sollten Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler ihre Reden in der Öffentlichkeit bewusst mit dem beginnen, was sie wissen - statt damit, was sie noch nicht wissen und wo noch Forschungsbedarf besteht.
Deshalb solle man vor Laien zum Beispiel nicht sagen: "Obwohl es noch eine Menge von Sachen gibt, die uns nicht bekannt sind darüber, wie hier vor Ort Ihre Wasser- und Abwasser-Infrastruktur betroffen sein wird, ist es wahrscheinlich, dass der Klimawandel künftig stärkere Wolkenbrüche und mehr Überflutungen bringen wird." Im Prinzip dasselbe, nur eben allgemeiner verständlich, sage dieser Satz: "Das Risiko stärkerer Wolkenbrüche , die beispielsweise die lokale Wirtschaft und ihre Schulen beeinträchtigen, das Risiko hier an diesem Ort hat wegen des Klimawandels bereits zugenommen." (Ausführlich wird dieser Punkt im "Unsicherheits-Handbuch" von Climate Outreach behandelt.)
6. Nutze wirkungsvolle Bilder und Grafiken
Der letzte Ratschlag bezieht sich auf die visuelle Kommunikation - denn auch hier kann in Sachen Klimawandel einiges schieflaufen. Das Handbuch verweist dabei auf Forschungsergebnisse zur Wirkung von Fotos - sie ergaben beispielsweise, dass Bilder von Naturkatastrophen zwar Aufmerksamkeit erregen, aber auch ein Gefühl von Ohnmacht vermitteln können. Wie Bilder stattdessen das Publikum aktivieren können, hat Climate Outreach im Projekt "Climate Visuals" herausgearbeitet. Daneben empfiehlt die Broschüre auf einen kürzlich erschienen Ratgeber des IPCC zu verständlicheren Klimagrafiken.
"Es mag keine 'Zauberworte' geben, die bei allen Zuhörerinnen und Zuhörern wirken", betont Roz Pidcock von der AG1 des IPCC in ihrem Geleitwort zum Handbuch. "Aber es gibt bessere und schlechtere Wege, ein Gespräch über Klimawandel zu starten; mehr oder weniger wirksame Arten, Sprache und Erzählungen zu nutzen."
Toralf Staud